Liberty: Roman
Anders.
Wir kommen nach Hause.
»Wo ist deine Freundin?« Ich erzähle ihm, dass sie in der Stadt einkauft und zur Schule geht. Wir rauchen einen Joint. Er schläft auf dem Sofa ein.
Als Rachel nach Hause kommt, kann er die Augen nicht von ihr lassen. Sie räumt mit ihrem prallen Hintern das Haus auf.
»Meine Fresse!«, sagt er. Rachel fragt mich auf Swahili, ob er eine Freundin hat.
»Was sagt sie?«
»Sie möchte wissen, ob du eine Freundin hast«, übersetze ich und gebe Rachel die Antwort: »Nein.«
»Möglicherweise kommt Matilda später noch vorbei«, sagt Rachel.
»Ich glaube kaum, dass Anders Matilda mit nach Dänemark nehmen wird.« Ich antworte auf Swahili.
»Könnte doch sein«, meint Rachel.
»Matilda?«, fragt Anders. »Wovon redet ihr?«
»Über nichts. Eine von Rachels Freundinnen aus dem Englischunterricht kommt vielleicht noch vorbei, um mit uns zu Abend zu essen.«
»Ah ja, sieht sie gut aus?«
»Ja.« Was für ein Zirkus. Anders fragt nach allem. Und ich versuche, ihm alles zu erklären: dass Rachel eine Tochter hat, die im Augenblick ihren Großvater im Dorf besucht. Dass Halima normalerweise bei uns wohnt. Dass Rachel Englisch lernt. Wie es mit meiner Arbeit läuft – alles.
»Dann bist du fast so was wie ein Familienvater?«
»Ja.«
»Abgefahren.«
»Wir fahren in die Stadt und trinken ein Bier«, sage ich, als wir zu Abend gegessen haben.
»Okay«, erwidert Rachel. Matilda sitzt auf dem Sofa und lächelt breit, winkt locker mit dem Arm.
»Hej, hej, bis bald«, sagt sie zu Anders in ihrem holprigen Englisch. Er zeigt auf sie und sagt: »Ja, wir gehen abends mal zusammen in die Stadt.«
»Ja«, antwortet Matilda, kichert und flüstert Rachel etwas zu, die ebenfalls auflacht und sich auf die Schenkel klatscht; ich gehe raus, öffne das Tor und setze mich aufs Motorrad. Trete den Kickstarter und starre auf die Straße, bis ich Anders’ Gewicht hinter mir spüre. Dann gebe ich Gas. Das Licht des vorderen Scheinwerfers hüpft über die holprige Fahrbahn und staubige Pflanzen, in die massive Dunkelheit. Ich fahre quer durch die Stadt bis Majengo. Halte vor der Jackson Bar, die ganz in der Nähe des Polizeireviers liegt und nicht ganz so schäbig ist.
»Setzen wir uns nach draußen«, schlage ich vor und zeige auf die hohe Betonterrasse unter einer zerschlissenen Markise.
»Mann, ist die scharf – diese Matilda«, erklärt Anders, als die Bar mama zu uns kommt. Ich bestelle Bier für uns. »Glaubst du, sie ist …?«, fängt Anders an.
»Ist was?«
»Du weißt schon … interessiert an mir?«
»Ja, worauf du dich verlassen kannst. Sie geht davon aus, dass du sie mit nach Europa nimmst.«
Anders sieht mich mit einem ernsten Gesichtsausdruck an. »Meinst du wirklich?«
»Nein, ich nicht. Aber sie tut es.«
»Scheiße, ich wohne in einer Etagenwohnung in Aalborg und bin so was wie ’n Müllmann.«
»Ja, aber es ist fantastischer Müll – europäischer!«
»Aber weiß deine Freundin nicht, dass ich nur zu Besuch bin?«
»Rachel sähe es auch gern, wenn du Matilda mit nach Hause nehmen würdest.«
»Ach, ich will doch nur … oh, Mann. Ich will doch nur mal mit ’nem schwarzen Mädchen schlafen.«
Die Bar mama bringt das Bier und schenkt uns die Gläser ein. Ein barfüßiger Bengel in dreckigen, zerrissenen Shorts und Hemd kommt in die Bar, er trägt einen Eierkarton auf seiner umgedrehten Handfläche. Er bleibt neben uns stehen, sieht uns an, sagt aber nichts.
»Willst du ein Ei?«
»Ein Ei?«, fragt Anders.
»Ich glaube, das haben sie von den Engländern. Hart gekochte Eier zum Bier.«
»Ja, danke, ich versuch’s mal.« Ich bitte um zwei Eier.
Zwei Mädchen kommen mit wiegenden Hüften in strammen Jeans angeschlendert. Eine von ihnen ist Salama, mit der Rachel sich ein Zimmer geteilt hat, als wir vor sieben Monaten das erste Mal miteinander geschlafen haben. Salama bleibt im Hintergrund stehen. Sie nickt mir zu, spricht mich aber nicht an. Salamas Freundin kommt zu uns und beugt sich über die unteren Querbalken, die sich rund um die Terrasse ziehen. Sie schaut Anders an. Sie schaut mich an. Lächelnd und leise erzählt sie mir auf Swahili ganz genau, was sie für Anders tun wird und wie viel es kostet – ein Wucherpreis. Sie sieht, dass er gerade erst angekommen ist.
»Du, Schwester!«, sage ich zu ihr. »Ich weiß, was es kostet.«
»Ja«, erwidert sie. »Aber für den mzungu kostet es extra, weil er farbig ist.«
»Wir sitzen hier und unterhalten uns.
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