Licht (Gone) (German Edition)
war es Alberts Job gewesen, die Kids zur Arbeit anzutreiben, doch die feige Ratte hatte das sinkende Schiff verlassen und war mit einem Haufen Raketen auf die Insel abgehauen.
Caine vermisste Albert.
Er vermisste seine Henker.
Doch am meisten fehlte ihm Diana.
Wenn er die Augen schloss, sah er sie vor sich. Er erinnerte sich an jedes Detail ihres Körpers und Gesichts. An ihre Lippen. Ihren sinnlichen Mund. Die glatte, samtweiche Haut.
»Wenn die Leute erst richtig hungern, gehen sie auch wieder Gemüse ernten«, sagte Virtue.
»Choo, du hast keine Ahnung, wie die Menschen ticken. Soll ich dir sagen, was sie dann tun werden? Sie rasten aus. Sie beklauen sich gegenseitig und fackeln die Häuser ab. Die Menschen sind strohdumm. Vergiss das nie: Sie sind untreue, heimtückische, schwache, rückgratlose und faule Idioten.«
Virtue kniff kritisch die Augen zusammen, sagte aber nichts.
Caine blickte sich in seiner neuen »Kommandozentrale«um. Sie bestand aus einem rollbaren Drehstuhl und einem Schreibtisch, die er auf den oberen Treppenabsatz der Kirche gehoben hatte, damit er die Plaza im Auge behalten konnte.
Er fand das alles zum Kotzen.
Warum musste er auch die Insel verlassen? Er und Diana könnten immer noch dort sein. Die Wanze und Penny hätte er von der Klippe werfen können, und alles wäre in bester Ordnung gewesen. Genug zu essen, eine coole Villa, elektrischer Strom und ein weiches Bett, in dem er mit Diana die Nächte verbringen konnte.
Was hatte er sich bloß dabei gedacht, als er beschloss zurückzukehren?
Er vermisste Dianas Spott, ihre ätzenden Bemerkungen. Die Art und Weise, wie sie ihn ansah und dabei ironisch die Augen verdrehte, ihren Gesichtsausdruck, wenn sie ihn mit zusammengekniffenen Augen musterte, als wäre er zu dumm, um ihre Beachtung zu verdienen. Jeder andere, der es gewagt hätte, so mit ihm umzuspringen, hätte mit dem Leben bezahlt oder zumindest mit gebrochenen Gliedern. Aber Diana war nicht irgendjemand.
Er vermisste ihr Haar. Ihren Nacken. Ihre Brüste.
Sie verstand ihn. Und auf ihre Weise liebte sie ihn sogar. Wenn er auf sie gehört hätte, wären sie nicht zurückgekehrt. Irgendwo hätte er noch Treibstoff aufgetrieben und dafür gesorgt, dass das Licht nicht ausging. Früher oder später wären zwar auch die Vorräte zur Neige gegangen, aber hey, das hier war die FAYZ . Hier konnte man höchstens darauf hoffen, den Schmerz noch eine Weile hinauszuzögern.
Den Schmerz hinauszögern: Das war der ganze Sinn des Lebens.
»Ich habe ein paar schlechte Entscheidungen getroffen«, sagte Caine entgegen seiner Absicht laut.
»Tja«, erwiderte Virtue. »Du bist eben ein skrupelloser Narziss und vollkommen unmoralisch.«
Caine sah ihn scharf an. War das als Kompliment gemeint? Oder wollte der Knirps ihn beleidigen? Aus Dianas Mund hätte es nach der perfekten Mischung aus ätzender Herablassung und grenzenloser Bewunderung geklungen.
Choo schien jedoch irgendwann beschlossen zu haben, seinem Namen – Virtue, der Tugendhafte – Ehre machen zu wollen. Außerdem hatte der Junge keinen Sinn für Humor, so viel stand fest. Er war einfach nur anständig. Noch so ein Rätsel.
»Wenn ich so skrupellos bin, warum gehe ich dann nicht zur Barriere und dresche so lange auf die Kids ein, bis sie mir gehorchen?«
Virtue zuckte mit den Schultern. »Weil dir deine Mutter oder deine Adoptiveltern dabei zusehen würden?«
Caine knabberte an seinem Daumennagel – das tat er immer, wenn die Dinge nicht so liefen, wie sie sollten.
»Außerdem sind da noch die Fernsehkameras«, fügte Virtue hinzu.
»Sam hat Penny vor den Augen seiner – unserer – Mutter verbrannt«, sagte Caine, nur um irgendetwas einzuwenden.
Darauf erwiderte Virtue nichts.
»Was?«, fuhr Caine ihn an.
»Na ja … Sam ist stärker als du.«
Caine überlegte, ob er Virtue auf die Trümmerhaufen im Inneren der Kirche werfen sollte. Danach würde er sich besser fühlen. Aber dann hätte er Virtues Bruder Sanjit an der Backe und Sanjit war mit Lana zusammen und Zoff mit der Heilerin war so ziemlich das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte.
Sie hatte ihm das Leben gerettet, und auch wenn ihm Dankbarkeit fremd war, hielt er es für unklug, sich mit der Person anzulegen, die in ihrer Welt einer Ärztin noch am nächsten kam.
»Wir kriegen Besuch«, sagte Virtue.
Caine hörte es auch: ein Auto. Motorengeräusche waren selten, seit das Benzin so knapp geworden war wie das Essen.
Auf der San Pablo tauchte
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