Licht (Gone) (German Edition)
schon früher gestellt hatte. Wahrscheinlich, weil er unter Schock stand.
»Ich heiße Diana. Das ist Gaia. Sie ist …« Wie erklärte man Gaia? »Na ja, sie ist nicht das, wonach es aussieht: ein liebes kleines Mädchen. Eher so etwas wie ein Dämon. Wie heißt du?«
»Alex. Alex Mayle. Ich glaube, ich verliere den Verstand …«
»Was wolltest du eigentlich da draußen?«
»Ein paar coole Videos drehen. Du weißt schon, für YouTube.«
»Hast du die Kamera noch?«
»Mein Handy! Mann, das habe ich ganz vergessen!« Erfischte sein iPhone aus der Hosentasche und wählte eine Nummer.
»911? Ist das dein Ernst?« Diana lachte.
»Kein Signal.«
»Echt? Hmm, bis jetzt ist nämlich noch keiner von uns auf die Idee gekommen, die Polizei anzurufen, damit sie uns hier rausholt. Dass uns das nicht schon früher eingefallen ist!«
Es bereitete ihr kein Vergnügen, sich auf Kosten des Rothaarigen lustig zu machen. Aber sein ganzes Verhalten erinnerte sie daran, wie viel sie schon ertragen hatte, um zu überleben.
»Ich werde sterben«, stieß Alex wimmernd hervor.
»Noch nicht«, erwiderte Diana ungerührt. »Erst, wenn sie sonst nichts zu essen findet.«
Diese Bemerkung ließ ihn abrupt stehen bleiben. Er fiel zurück, und dann hörte Diana das Schlurfen seiner durch den Sand davoneilenden Schritte.
Gaia drehte sich nicht einmal um, sie hob bloß die Hand.
Alex flog durch die Luft und schlug zu ihren Füßen auf.
»Tu mir nichts!«, flehte er sie an.
»Ich könnte dich einfach töten«, sagte Gaia. »Dann müsste ich dein Fleisch aber mit mir rumschleppen. Du wirst dich also selbst tragen, bis ich besseres Essen finde. Wenn du wegläufst, tu ich dir sehr weh. Es wird dich nicht töten, aber du wirst dir wünschen, tot zu sein.«
Er hob sich schluchzend auf die Knie. »Was um Himmels willen bist du?«
»Ich bin der Gaiaphage«, antwortete Gaia stolz. »Ich bin dein Herr und Meister. Gehorche mir.«
Als Gaia weiterging, half Diana Alex auf die Beine.
Merkwürdig, dass gerade er der erste Erwachsene sein sollte, dem sie nach fast einem Jahr begegnete. Manchmal hatte sie sich vorgestellt, wie das sein würde. In ihrer Fantasie waren es immer Feuerwehrleute und Polizisten gewesen, die angerannt kamen, um ihr zu helfen, ihr Essen zu geben und sie in Sicherheit zu bringen.
Alex war nicht gekommen, um sie zu retten. Er war nur ein weiterer verlorener und verzweifelter Narr. Einer, der noch mehr Angst hatte als sie selbst.
»Ich möchte nach Hause«, flehte er.
Dianas Magen krampfte sich zusammen. Das war der Hunger. Der Schmerz rief Erinnerungen wach und zerrte Bilder ans Licht, die sie unerträglich fand. Fast noch schrecklicher fand sie jedoch die Tatsache, dass ihr beim Anblick des gebratenen Arms das Wasser im Mund zusammenlief.
Nein, sagte sie sich. Nie wieder. Lieber sterbe ich. Sie dachte an das Messer, das sich angeblich in Alex’ Rucksack befand. Nicht die Pulsadern – die könnte Gaia im Nu wieder heilen. Besser wäre eine Schlagader. Am besten im Hals. Sie müsste nur schnell und entschlossen zustechen, dann wäre sie tot, bevor diese Kreatur – ihre Tochter – etwas dagegen unternehmen könnte.
Doch gleich darauf regte sich wieder die Hoffnung – dieses grausame Gefühl, das sie verspottete –, Caine würde ihr zu Hilfe kommen. Er musste doch wissen, dass sie ihn brauchte. War sie ihm wirklich so egal?
Nur: Falls er wirklich kam, würde Gaia ihn töten.
Dann werde ich es tun, beschloss Diana insgeheim. Dann steche ich mich selbst ab. Aber erst dann.
Albert hatte drei Leute mit auf die Insel genommen. Leslie-Ann, sein ehemaliges Dienstmädchen, eine schüchterne Kleine, die zwar zu nichts zu gebrauchen war, ihm jedoch einmal das Leben gerettet hatte.
Pug, an deren richtigen Namen sich Albert nicht mehr erinnern konnte. Sie war groß und kräftig und nicht gerade die Hellste, aber Albert gegenüber unfassbar loyal.
Und schließlich Alicia. Alicia war bei Edilio in die Schule gegangen und wusste, wie man mit einem Gewehr umging. Sie hatte seiner Elitetruppe angehört, bis er ihr auf die Schliche gekommen war. Dass sie von den Leuten Schutzgeld erpresste. Von da an hatte sie für Albert gearbeitet, als sein persönlicher Spitzel. Sie war gerissen und eine genaue Beobachterin und hatte dafür gesorgt, dass er immer rechtzeitig über alles Bescheid wusste.
Sie war einen Kopf größer als er, was ihm gefiel, und hatte gewaltige Brüste. Das gefiel ihm sogar noch besser. Nur loyal war
Weitere Kostenlose Bücher