Licht (Gone) (German Edition)
fragte Caine laut.
Keine Antwort.
»Ich zähl bis drei«, sagte Caine angespannt. »Bei drei bist du tot.«
»Nicht!«
Die Stimme klang irgendwie seltsam. Viel zu tief. Caine holte Sams in der Luft schwebendes Licht näher heran.
Und jetzt stand ihnen beiden vor Verblüffung der Mund offen.
»Das ist ein Erwachsener!«, rief Sam.
»Wer bist du?«, wollte Caine wissen. »Wie kommst du hierher?«
Der Mann war ein Wrack, so viel war klar. Ihm fehlte ein Arm, die Haut an seiner Schulter hing in Fetzen und der Stumpf war nur teilweise verheilt. Das hatte kein Arzt operiert.
»Wie heißt du?«, fragte Sam.
»Alex.«
»Woher kommst du, Alex?«
»Ich … ich bin hereingefallen.«
Sie blickten ihn immer noch fassungslos an. Nicht ohne Respekt, aber es war eindeutig, dass sie hier das Sagen hatten.
»Alex«, begann Caine. »Du musst uns schon ein bisschen mehr sagen. Was meinst du mit: ›Ich bin hereingefallen‹?«
»Die Göttin … sie hat mich durch die Barriere geholt, damit ich sie füttere.« Er ballte die ihm verbliebene Hand zur Faust, doch der Ausdruck in seinem Gesicht war beinahe ehrerbietig.
Sam und Caine wechselten einen vielsagenden Blick. Sie hatten beide eine Menge traumatisierter Kids gesehen. Das hier war ihr erster Erwachsener. Der Erste seit Langem, und er hatte eindeutig den Verstand verloren.
»Was ist hier passiert?«, fragte Sam. »Hast du etwas gesehen?«
Der Mann zeigte zu dem Felsvorsprung, der im Osten über dem See aufragte. »Sie kam von dort, die Göttin des Lichts. Fiel über sie her wie …«
»Gaia?«, fuhr Caine dazwischen.
»Kennst du sie?«, wollte Alex begierig wissen. »Habt ihr etwas zu essen für mich?«
»Hat jemand überlebt?« Sams Stimme war schrill, weil er sich vor der Antwort fürchtete.
»Ja, ein paar. Lauter Kinder. Sie sind …« Er blickte sich um, dann deutete er mit dem Kopf in eine Richtung. »Sie sind dorthin gegangen.«
Sam flüsterte: »Sie wollen nach Perdido Beach.«
»Da war auch ein Fahrzeug. Vielleicht ein Laster«, sagte Alex. »Ich kann mich nicht erinnern. Andere sind zu Fuß los. Das bringt ihnen aber nichts. Sie will sie alle töten, wisst ihr. Sie brennt ihnen die Köpfe ab.«
»Gaia hat sie einfach gehen lassen?«, fragte Sam. Der Mann war zwar verrückt, aber noch nicht ganz hinüber.
Alex wirkte auf einmal so, als wäre ihm das unangenehm. »Sie war … na ja, während sie am Töten und Verbrennen war, oder wie nennt man das? Am Köpfeabfackeln? Also mittendrin … da ging plötzlich ein Sturm los und hat sie verletzt. Ich hab’s selbst gesehen. Wie ein Wirbelwind.«
»Ein Wirbelwind ?«, fragte Caine scharf.
»Brianna«, sagte Sam.
»Die Göttin ist verwundet. Oh, sie wird so hungrig sein!« In Alex’ Stimme schwang eine sonderbare Mischung aus Angst und freudiger Erwartung mit. »Ich … Sie ist eine Göttin. Sie heißt Gaia. Aber psst! Ihr dürft ihren Namen nicht aussprechen.«
»Sie ist keine Sie«, schnappte Sam. »Sondern ein Es. Und dieses Es ist kein Gott.«
»Wenn sie verletzt ist, dann war das vielleicht ihre Blutspur, die wir gesehen haben«, sagte Caine. »Sie führt nach Nordwesten. Wir müssen uns entscheiden: Sollen wir nach Perdido Beach gehen und herausfinden, ob deine Freundin noch lebt, oder machen wir Jagd auf die Göttin dieses Verrückten?«
Sam warf einen Blick auf Alex. Ihm war gerade ein schrecklicher Verdacht gekommen. »Sie hat dir den Arm ausgerissen, nicht wahr?«
Alex schloss die Augen. »Sie war sehr hungrig, ja.«
»War noch jemand bei ihr?«, fragte Sam. »Ein Mädchen? Und ein Kerl mit einem Arm, der wie eine Schlange aussieht? Oder wie eine Peitsche?«
»Ein Mädchen, ja. Sie sagt, sie ist die Mutter der Göttin.«
»Diana.« Caine sah zu Boden und fing an, an seinem Daumennagel zu knabbern.
»Sie hat uns verraten. Sie ist hierhergekommen, um die Kinder zu warnen.« Alex grinste. »Aber sie kam zu spät! Oh, ihr hättet es sehen sollen! Ha! Die Lichtshow bei einem Heavy-Metal-Konzert ist nichts dagegen.«
Sam bemerkte auf einmal etwas, was irgendwie fehl am Platz wirkte. Er spähte in die Dunkelheit, formte ein zweites Licht und ging zu der Stange mit dem Stofffetzen.
Er zog das blonde Haarbüschel heraus, strich mit den Fingern darüber und schob es dann in die hintere Tasche seiner Jeans. Dieser Moment brach ihm das Herz. Zu spüren, dass sie so nah war. Zu wissen, dass er nicht da war, als sie ihn brauchte. Er brach in Tränen aus und löschte das Licht, damit Caine ihn
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