Licht und Dunkelheit
schlichter. Lord Otis saß an ihrer Bettkante. Als er merkte, dass sie wach war, ließ er ihre Hand los. Egris saß auf der anderen Seite und sah sie besorgt an. Sendad stand am Fußende.
Levardas Finger tasteten nach ihrem Hals. Jemand hatte ihn verbunden, und sie konnte die Heilkräfte des blutungsstillenden Mooses fühlen. Sie stöhnte auf.
»Habt Ihr Schmerzen?«, fragte Sendad furchtsam.
»Ja, es tut weh«, stellte sie erstaunt fest. Selten empfand sie körperliche Schmerzen und schon gar nicht so intensiv wie in diesem Fall.
»Hört auf mit dem Theater und heilt Euch«, befahl Lord Otis grob.
Sie richtete sich langsam auf, so dass sie ihren Oberkörper an das Kopfende des Bettes lehnen konnte.
»Gebt mir ein Messer«, befahl sie kalt.
»Ihr bekommt kein Messer, ich werfe mein Leben nicht leichtsinnig weg«, erwiderte er.
»Ich gebe Euch eines«, antwortete Egris und reichte ihr sein Messer.
Sie richtete sich auf.
Egris beobachtete sie gelassen, wohingegen Sendad und vor allem Lord Otis sie genau im Auge behielten. Anstatt das Messer entgegenzunehmen, umfasste sie Egris‘ Hand am Griff. Langsam führte sie diese so weit, bis die Schneide ihre andere Handfläche berührte, und machte damit einen Schnitt hinein.
Entsetzt zog Egris seine Hand mit dem Messer von ihr fort.
»Bringt mir Wasser«, befahl sie und sah Sendad an.
Gehorsam nahm er den Krug vom Tisch, goss Wasser in einen Becher und reichte ihn ihr. Sie schüttete ein wenig Wasser auf die Schnittwunde, konzentrierte ihre Energie auf den verletzten Punkt in ihrem Körper.
Das Wasser zischte und dampfte, spülte das Blut weg, und nichts außer makelloser Haut blieb übrig. Der Schnitt war verschwunden. Levarda betrachtete die Gesichter der Männer, die das soeben Gesehene erst in ihren Köpfen verarbeiten mussten, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergaben, so hoffte sie.
Lord Otis fasste sich als Erster. »Seht ihr, Männer, das ist alles kein Problem.«
In dem Ton seiner Stimme klang neben dem Schock die Erkenntnis durch, dass er ihre Fähigkeiten unterschätzt hatte. Ihn zu überraschen gelang vermutlich nicht vielen Menschen in seiner Umgebung.
Er war so geschickt im Umgang mit der Energie und lernte so unglaublich schnell. Ohne sein Eingreifen hätte sie all ihre Energie an den weiblichen Schatten verloren. Ihr Leben hatte sicher in seinen Händen gelegen, wenigstens, was ihre Lebensenergie betraf.
»Lady Levarda, jetzt schüttet das Wasser über den Schnitt an Eurem Hals, damit sich Egris und Sendad entspannen können.«
»Ich bin noch nicht fertig«, erwiderte sie, nachdenklich geworden durch die neue Erkenntnis.
Lord Otis, dessen Hand sich zu ihrem Hals bewegt hatte, hielt inne. Sie nahm seine Hand und fixierte ihn mit ihren Augen.
»Legt Euer Messer in seine Hand, Egris.«
Die Männer tauschten einen Blick, dann nickte Lord Otis, und Egris legte ihm sein Messer in die Hand.
Wie zuvor bei Egris umschloss sie seine Hand mit ihrer eigenen. Diesmal führte sie den Zeigefinger ihrer anderen Hand leicht über die scharfe Messerschneide. Dann ließ sie Lord Otis los, tauchte ihren Zeigefinger in das Wasser, richtete ihre Energie auf die Wunde, aber nichts geschah.
Sie war sich selbst über den Ausgang des Versuchs unsicher gewesen. Wie würde es sich anfühlen, durch sein Schwert zu sterben?
Weder dampfte noch zischte es, stattdessen färbte sich das Wasser von ihrem Blut.
»Ich kann diesen Schnitt nicht heilen, weil Eure Hand das Messer hielt.« Sie betrachtete aufmerksam den Schnitt in ihrem Finger, hob den Kopf und sah in die Augen von Lord Otis, in denen sie eine Mischung aus Erleichterung und Skepsis sah.
»Ich habe mein Leben in Eure Hände gelegt.«
Sie sagte es langsam, Wort für Wort. Dann steckte sie ihre blutende Fingerspitze in den Mund.
Die Männer schwiegen. Levarda richtete sich an Sendad.
»Ich danke Euch für Eure Worte, Sendad. Ich hätte es nicht besser sagen können. Was Euch betrifft, Lord Otis, so wäre es nett, wenn Ihr in Zukunft mit meinem Leben achtsamer umgehen würdet. Noch ist das Todesurteil nicht über mich gesprochen, und Ihr wisst nun: Es gibt für mich kein Entrinnen vor Euch.«
Seine Miene war eine undurchdringliche Maske. Vorsichtig tastete Levarda nach seiner Aura, die in den letzten Stunden ein Teil von ihr gewesen war, und stieß an einen Schutzschild, den er um sich errichtet hatte.
»Egris, Sendad – lasst uns allein«, befahl er den Offizieren.
Widerstrebend verließen die
Weitere Kostenlose Bücher