Licht und Dunkelheit
Rat von Menschen hören, die nichts anderes möchten, als dir zu helfen? Willst du jeden Quacksalber in Zukunft zur Rede stellen? Hast du eine Ahnung, wie viele es davon allein in dieser Stadt gibt?«
Erregt lief er durch den Raum. Schweigend folgte Levarda ihm mit den Augen. Er blieb stehen, zwang sich auf den Stuhl zurück.
»Was passierte danach?«
»Der Händler war weg und am Stand neben ihm erfuhr ich, er sei auf seinem Boot am Hafen ...«
Erneut sprang er auf, fuhr sich mit den Händen durch seine Haare. »Und du hast dich auf den Weg gemacht, um dem Mann einen Besuch abzustatten?«
»Ich bin nicht wehrlos, Otis, vergiss das nicht«, schoss sie auf ihn ab.
Fauchend drehte er sich um. Er baute sich vor ihr auf und beugte sich mit funkelnden Augen über sie. Ihr Amulett regte sich.
»Genau, Levarda, reden wir darüber. Erzähl mir, warum du mit sieben bis auf die Zähne bewaffneten Kriegern kämpfst – und ich betone für dich nochmals das Wort: Krieger –, ohne deine Kräfte einzusetzen.«
Sie waren bei der heikelsten Frage angekommen. Soweit es ging, machte sie sich auf dem Stuhl klein, senkte den Blick, wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Allein die Erinnerung an die dunklen Tentakel löste das Zittern in ihr aus. Sie hatte beschlossen, ihm nichts davon zu erzählen. Erst musste sie selber verstehen, was mit ihr geschehen war.
»Ich wollte keine unschuldigen Menschen verletzen.«
Mit knirschenden Zähnen ließ er von ihr ab, wandte ihr seinen Rücken zu. Sie hatte ihn noch nie so zornig und unkontrolliert erlebt. Seine Aura loderte um ihn herum. Erst, als die Intensität abflachte, drehte er sich zu ihr um.
»Das ist das Dümmste, was ich je von dir gehört habe.«
Sie schluckte. Ahnte er etwas von dem, was ihr passiert war?
Er setzte sich auf seinen Stuhl, rieb sich mit den Händen das Gesicht. »Sag mir eines. Wie viele Männer waren es insgesamt? Und wage nicht, mich anzulügen. Sendad vermutet, dass es sich bei den sieben nur um eine Vorhut handelte, die dich auf dem Marktplatz umzingelt hatte. Leider kann er Energiemuster nicht so exakt trennen wie du.«
»Mehr als zehn.«
Seine Augen funkelten. Er blieb stumm.
»Etwa fünfzehn«, machte sie einen erneuten Versuch.
Seine Finger trommelten auf die Tischplatte.
Sie seufzte tief und gab nach. »Ich habe einundzwanzig gezählt.«
Er verharrte bewegungslos auf seinem Stuhl.
Levarda betrachtete konzentriert ihre Hände, die bis auf die abgebrochenen Fingernägel vollkommen verheilt waren. Ihre Muskeln würden eine Weile schmerzen, die Prellungen ebenfalls. Zum Glück hatte sie sich nichts gebrochen. Das wäre auch für sie zeitaufwendiger gewesen.
»Ist das die genaue Zahl?«
Levarda nickte stumm.
»Warum braucht man einundzwanzig bewaffnete Männer, um eine Lady zu überfallen?«
Dieselbe Frage beschäftigte sie.
Es klopfte an der Tür.
»Der hohe Lord lässt Euch mitteilen, dass sie nicht mehr länger warten können.«
»Sag ihm, ich komme.«
Er stand auf, und Levarda folgte ihm aus der Tür. Gemeinsam mit seinen Männern und Sendad, der ebenfalls draußen gewartet hatte, begleitete er sie zu den Frauengemächern. Kaum befand sie sich in ihrem Zimmer, flog die Tür hinter ihr zu und der Riegel wurde vorgeschoben.
Er hatte es gewagt, sie einzusperren. Sie schlug mit der Hand gegen die Tür. Sie vibrierte von ihrer Energie. Mörtel rieselte auf den Boden.
»Levarda!«, hörte sie Otis‘ verärgerte und Sendads mahnende Stimme gleichzeitig rufen.
»Du sperrst mich ein!«
»Ja, zu deinem Schutz.«
»Wo ist Agilus?«
»Bei Lady Smira, und dort wird er heute Nacht auch bleiben.«
»Und du?«, fragte sie nach einem kurzen Zögern.
»Ich muss mich auf das konzentrieren, was morgen vor mir liegt. Ich kann keine Ablenkung gebrauchen.«
Seine Stimme klang unnachgiebig und sie wusste, es gab nichts, was ihn umstimmen konnte. Sie lehnte sich an die Tür und fühlte die Schwäche in ihrem kompletten Körper, die seine Worte in ihr auslösten. Sie rutschte mit dem Rücken an der Tür herab, verbarg ihr Gesicht auf ihren Knien und ließ die Tränen fließen – stumm.
Sie hörte die Männer einige leise, erregte Worte miteinander wechseln, aber sie konnte nicht verstehen, worüber sie sprachen.
In dieser Nacht schlief Levarda schlecht. Sie wühlte sich durch das Bett auf der Suche nach Otis‘ wärmendem Körper. Das Gefühl, nicht vollständig zu sein, hinterließ eine Leere in ihr. Sie wollte ihn mit ihrer Energie
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