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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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stand bei der Kleinen, legte ihr die Hände auf den Kopf und zog sie in seine Arme.
    Levarda richtete eine vorsichtige Frage an Adrijanas Seele, hörte sich die Antwort an. Ja, auf dem Bett lag ihre Mutter, die gestorben war, und der Mann, der sie tröstete, war ihr Vater. Beide trauerten um Mutter und Ehefrau. Trotz des Kummers passte dieser Zeitpunkt nicht. Adrijana zählte höchstens acht Jahre.
    Sie wanderte ein Stück höher in der Zeit. Die Klarheit, in der das nächste Bild vor ihrem inneren Auge erschien und der schmerzhafte Stich, der von der Narbe her durch ihre Hand in ihren Körper schoss, zeigten, dass der Zeitpunkt diesmal richtig war. Die Intensität des Schmerzgefühls überraschte sie. Sie stoppte, baute erst ihren Schutzschild neu auf, ließ dann die Erinnerungen weiterlaufen.
    Sie befanden sich in demselben Zimmer wie zuvor beim Tod der Mutter. Adrijana kam mit einem Korb voll Feuerholz durch die Tür. Draußen schneite es. Schnee lag auf ihrem Umhang und ihre Wangen glühten von der Kälte. Ihr Vater saß jetzt als gebeugte ältere Gestalt am Feuer. Er bedachte sie mit einem mürrischen Blick.
    »Was hast du so lange gebraucht, um das bisschen Holz zu holen?«, herrschte er sie an.
    »Verzeih bitte, Vater, aber wir hatten keines mehr. Ich musste welches vom Nachbarn borgen.«
    »Vom Nachbarn?« Sein Blick, soeben noch mürrisch, bekam einen bedrohlichen, irren Glanz. »Du hast dich bei dem nichtsnutzigen Snören rumgetrieben und ihm schöne Augen gemacht!«, geiferte er.
    Heftig schüttelte Adrijana den Kopf. »Nein, er hat nur gesehen, dass wir kein Holz mehr hatten und mich rübergewunken.«
    »Schweig«, donnerte ihr Vater und kam zu ihr herüber. Angstvoll drückte sich das Mädchen an die Wand, aber ungerührt baute sich der Vater drohend vor ihm auf. »Meinst du, ich hätte nicht gemerkt, dass du zur Frau geworden bist?« Er packte sie an den Haaren und zog sie vor das Feuer, warf sie dort zu Boden und kniete sich auf ihre Brust.
    Das Mädchen stöhnte nur kurz auf, wagte nicht, sich zu rühren. Angst kroch durch jede Pore in ihren Körper. So etwas hatte der Vater noch nie gemacht.
    »Ich schwöre dir, Vater, ich habe nichts getan«, keuchte sie heiser.
    Sein Gesicht näherte sich ihrem. In seinen Augen glänzte eine Gier, die ihre Panik verstärkte. Sie ahnte, dass das Schlimmes bedeutete, begann sich zu wehren. Sie wand sich und kämpfte darum, aufzustehen. Er war viel stärker, als sie vermutet hatte. Er fing an, sie zu schlagen, so fest, dass ihr Kopf auf den Boden schlug. Sie verlor kurz das Bewusstsein, kam zu sich und wünschte, sie wäre gestorben.
    Der Vater hatte ihr den Rock hochgeschoben und sie von ihren Unterkleidern befreit. Er zog sich die Hose herunter. Der Anblick seines Geschlechts weckte in Adrijana die letzten Kräfte. Sie bäumte sich auf, stieß dabei mit dem Kopf gegen den Kessel, in dem die Suppe über dem Feuer brodelte. Die heiße Flüssigkeit ergoss sich über eine Seite ihres Gesichts. Sie schrie vor Schmerzen, verlor jede Kraft, sich zu wehren. Wieder und wieder drang ihr Vater in sie ein. Geifernd näherte sich sein Mund ihrem unverletzten Ohr. »Jetzt weißt du, was ein Mann mit einer Frau macht. Du kannst aufhören, Snören schöne Augen zu machen. Ich werde dir ab heute jeden Tag geben, was du brauchst.«
    Als ihr Vater endlich von ihr abließ, rollte sich Adrijana schluchzend zusammen. Der Schmerz war überall. Ihr Blick fiel auf das Feuer. Sie raffte sich auf, stürzte sich mit einem Schrei der Verzweiflung und der Scham in die Flammen. Sie hörte den Aufschrei des Vaters, wurde gepackt und in den Raum geschleudert. Doch da es war zu spät, die Flammen an ihrem Kleid entzündeten die Schlafmatten und steckten die Hütte in Brand. Dann flog die Tür auf, und der Luftzug, mit wirbelnden Schneeflocken gefüllt, jagte die Flammen noch weiter empor. Jemand packte Adrijana und zerrte sie in den Schnee. Dann wurde es schwarz um sie.
    Levarda war vor Entsetzen gelähmt. Sie verlor die Distanz, fühlte den Schmerz der heißen Suppe auf der Haut, das Eindringen des Vaters und den Wunsch, in den Flammen den Tod zu finden. Das Feuer floss durch ihren Körper, nahm dem Mädchen die Scham, seinen Schmerz, die Wut und den Hass, und ließ sie aus der Gesichtsnarbe herausfließen. Sie gab ihr Trost, Wärme, Geborgenheit, Licht und die unendliche Liebe Lishars zurück. Stark floss die Energie des Wassers kühlend über Adrijanas Narbe, schenkte ihr die Erde Ruhe und

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