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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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voller Energie nach diesen Tagen der Muße. Ihre Heilsteine waren bis oben hin aufgefüllt, genauso wie ihr Amulett. Es gab einfach nicht genug für sie zu tun. Außerdem fehlten ihr die kleinen Spiele, die sie zu Hause in Mintra mit ihrer Energie durchführte.
    Sie war eine Meisterin darin gewesen, Tiere aus Wasser nachzubilden. Auch das Spiel mit den Flammen beherrschte sie perfekt, konnte ihnen verschiedene Formen geben und eine lange Säule gestalten. Die Erde, ein Element, das langsam und behäbig reagierte, benötigte Geduld und Ruhe, beides Eigenschaften, die nicht ihrem Temperament entsprachen. Das Spiel mit der Luft fand sie am faszinierendsten. Sie hatte einen Freund gehabt, der unglaublich geschickt darin war, sich in die Lüfte zu erheben. Das erforderte ein hohes Maß an Konzentration und Fingerspitzengefühl.
    All die Spiele dienten dazu, die Fähigkeiten und das Geschick bei der Arbeit mit den Elementen zu fördern. Ein weiterer Effekt bestand darin, dass sie die Energie im Gleichgewicht hielten. Levarda sehnte sich danach, endlich einen Ort zu haben, an dem sie ungestört ihre täglichen Übungen absolvieren konnte. Das Warten trieb sie an den Rand des Wahnsinns.
    Am Nachmittag nahm sie zusammen mit Lady Smira eine kleine Mahlzeit ein. Sie erzählte ihr von dem Ausflug mit Sendad und von dem See, doch diese zeigte sich nicht sonderlich interessiert. Als sich Levarda aber bereiterklärte, ihr bei der Entscheidung zu helfen, welches Kleid sie bei der Reise zum hohen Lord tragen sollte und welche Frisur ihr am meisten zusagte, gewann sie die Aufmerksamkeit ihrer Cousine.
    Obwohl Levardas Urteil eigentlich keine Rolle spielte, machte es ihr Spaß, sich unter ihren bewundernden Blicken zu drehen. Es schien ihr ebenso viel Freude zu bereiten wie Levarda der gestrige Tag am See.
    Schließlich hatte Levarda genug von den Gesprächen über Kleider, Schmuck, Schuhe und Frisuren, verabschiedete sich und schlenderte durch die Flure zurück zu ihren Räumen. Kurz bevor sie die Treppe erreichte, die hinunter in die Halle führte, hörte sie zwei erregte Frauenstimmen im Streit.
    »Wenn du glaubst, du könntest mir meinen Platz streitig machen, hast du dich geschnitten!«
    »Verzeih mir Rika, bitte, ich wollte dich nicht erzürnen. Er hat einfach nach mir gefragt!«
    »Nach dir gefragt, nach dir gefragt«, äffte die Ältere höhnisch nach. »Angebiedert hast du dich, du Schlampe. Schöne Augen hast du ihm gemacht!«
    »Das habe ich nicht! Wann hätte ich das machen sollen, ich bin ja die ganze Zeit über mit Nähen beschäftigt. Er mag mich eben.«
    »Er mag dich?«, spuckte Rika aus, »Du glaubst, dass jemand eine Fratze wie deine mag?! Du bist abstoßend hässlich, und die Vorstellung, ich müsste dein verunstaltetes Gesicht anfassen, ekelt mich. Berührt Lord Otis es etwa?«
    Levarda hörte ein Aufschluchzen, dann Schritte, die sich stolpernd entfernten. Bevor sie ausweichen konnte, fegte Rika um die Ecke, fuhr erschrocken zurück und sah Levarda mit zornigem Blick an.
    »Und Ihr – denkt ja nicht, ich würde Euch nicht durchschauen! Ihr, eine Lady? Dass ich nicht lache! Wenn Ihr glaubt, Ihr könntet Lord Otis täuschen, irrt Ihr Euch gewaltig. Ihr werdet sterben, genauso wie die anderen.« Damit rauschte sie an ihr vorbei.
    Levarda öffnete die Tür ihres Gemachs. Adrijana wischte sich hastig über die Augen und fing geschäftig an, das Zimmer aufzuräumen, packte Nähzeug weg, machte den Tisch sauber, nahm Kleider, faltete sie und legte sie sorgfältig in die Kisten. Zwischendrin zog sie die Nase hoch.
    Levarda ging zu ihr hinüber und ergriff ihre Hände. Das Mädchen senkte den Kopf, während ihm Tränen über die Wangen liefen. Levarda schob ihren Zeigefinger unter Adrijanas Kinn und hob ihr Gesicht an. Nachdenklich musterte sie das Mal. Es handelte sich um ein Brandmal, das sich vermutlich durch mangelhafte Versorgung entzündet hatte und die ganze rechte Seite des Gesichts bedeckte.
    »Komm mit ans Fenster, ich möchte dein Gesicht näher betrachten.«
    Adrijana schüttelte den Kopf, riss sich los. »Nein! Ich bin hässlich, mich wird nie jemand lieben oder heiraten.« Tränen strömten über ihre Wangen.
    »Ich habe gehört, was Rika gesagt hat, und ich kann dir sagen: Es stimmt nicht. Du bist ein Mensch mit einem warmen Herzen. Sie ist nur eifersüchtig auf dich und deswegen wütend.«
    Sie zögerte vor den nächsten Worten. »Und wenn du es willst, wirst du jemanden finden, der dich

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