Licht vom anderen Ufer
stand.
»Na also«, meinte er. »Das wäre nun vorüber.«
»Das ist nicht vorüber, Herr Major«, erwiderte Oliver, und sein Gesicht war sehr blass. »Es war kein bloßes Abenteuer, es ist mehr, Herr Major.«
»Ja, es scheint mehr zu sein, Leutnant Pratt. Ein wunderbarer Unsinn nämlich. Ich darf nicht zulassen, dass Sie Ihre Pflicht vergessen.« Ohne Übergang wurde er plötzlich heftig. »Sie haben mich verstanden, Leutnant Pratt?«
»Jawohl, Herr Major.«
Anna ging unsicheren Schrittes durch das Dorf zum Goldenen Grund. Ohne dass es ihr bewusst wurde, begann sie zu weinen, leise, verzweifelt wie ein verirrtes Kind. Es war so gekommen, wie sie es immer befürchtet hatte. Trotz aller Glückseligkeit und obwohl Oliver es ihr immer hatte ausreden wollen, war alles genauso eingetroffen, wie sie es vorausgesehen hatte. Es war, als sei ein Schwert gefallen zwischen sie und ihn, und bei aller Güte, die der Major gezeigt hatte, hatte ihn doch kein anderer Gedanke beherrscht, als Oliver Pratt von ihrer Seite zu reißen.
Im Goldenen Grund hatten selten die Bäume so herrlich geblüht wie dieses Jahr. Aber Anna sah nichts von der Schönheit rundherum, ihr Blick war verschwommen von Tränen, und die wischte sie erst fort, als sie den Vater von der Haustür her auf sich zukommen sah. In seinem Gesicht zeigte sich keine Freude darüber, dass sie kam. Sie sah die Verbitterung um seinen Mund, und seine Frage klang wie ein Messerstoß.
»Was machst du hier unten?«
»Ich habe Oliver herunter begleitet«, sagte sie leise.
Der Rauscher lachte verbittert auf. »Es hätten ja sonst zu wenig Leute gewusst, was du für eine bist.«
Anna sah ihren Vater erschrocken an. Dann stellte sie
sich breit vor ihm auf. »Was bin ich denn für eine? Ach -wenn du es schon nicht verstehst, dass ich so habe handeln müssen.«
Lange sah der Rauscher in ihre vor Zorn funkelnden Augen. Dann sah er an ihrer Schulter vorbei zur Wiese hinaus, in der ein Panzer seine Runden zog und mutwillig das junge Gras in den Boden walzte.
»Dass du ihm geholfen hast, als er hilflos da oben gelegen hat, das sehe ich ein. Aber dass du ihn zu deinem Geliebten gemacht hast, das verurteile ich.«
»Vater!«
»Du brauchst mir gar nichts zu sagen. Ich weiß alles. Heute Nacht hat der Schleicher an mein Fenster geklopft und mir alles gesagt.«
»Alles? Ich glaube kaum, dass er auch seine Gemeinheiten erzählt hat. Sei still, Vater, du sollst jetzt alles wissen.«
Wie ein Quell sprudelte es aus ihr heraus. Sie verschwieg nichts und fügte nichts hinzu. Zum Schluss blieb nichts als das Bild einer großen Liebe, die unauslöschlich in ihrem Herzen weiterleben würde, selbst wenn sie längst zur schmerzlichen Legende geworden war.
Der Rauscher ließ dieses Geständnis mit immer größerem Staunen über sich ergehen. Dabei wurde sein Gesicht immer verschlossener. Es war schwer für ihn, all das zu hören, was sich mit seinem Bauernstolz nicht vereinbaren ließ. Und es war seine Tochter Anna, die ihm das alles sagte, als gäbe es für sie kein anderes Ziel mehr in diesem Leben als die abwegige Liebe zu einem Amerikaner, der sie nach Tagen schon so vergessen haben würde, wie man den Schnee vergessen hatte, der heute Nacht gefallen war. Am liebsten hätte er mit dem Finger gegen seine Stirn getippt und so schweigend gefragt, ob es bei ihr denn im Oberstübchen noch ganz stimme. Aber da war diese Willensstärke in den Augen der Tochter, diese Sicherheit ihrer Gesten, mit denen sie ihre Worte unterstrich, dass es für ihn nur zu einer einzigen Frage reichte:
»Und Thomas Staffner? Er hat doch mein Wort!«
Annas Brauen schoben sich eng zusammen. »Darin, Vater, habe ich dich nie begriffen. Du warst mit deinem Wortgeben nie so freimütig wie in diesem Fall. Und da hättest du doch erst mal mich fragen können.«
»Mit deiner Sturheit wirst du es noch weit bringen. Es ist zum Gotterbarmen! Zuerst verliert der arme Teufel seinen Arm und nun auch noch dich. Jetzt, wo man aufatmen könnte, drängst du einem eine neue Sorge auf. Glaubst du denn, dass du den Amerikaner noch jemals wiedersehen wirst?«
»Das glaube ich, obwohl ich genau weiß, dass du Recht hast, Vater. Aber lass mir meinen Glauben noch eine kleine Weile. Und wenn du dann noch darauf bestehst, werde ich den Thomas heiraten und – Oliver trotzdem nicht vergessen.«
Es war, als glätteten sich jetzt die Krähenfüße an seinen Augenwinkeln, und es sollte wohl ein Trost sein, als er antwortete: »Die Zeit
Weitere Kostenlose Bücher