Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Titel: Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
Vom Netzwerk:
Armbeuge bis zum Handgelenk mit Blut getränkt. Jil wusste, dass dies ein Augenblick war, in dem ein gewöhnlicher Mensch Angst empfinden sollte, aber sie spürte nichts als Wut und Empörung. Es war nur ein Streifschuss gewesen, vermutlich war die Wunde nicht einmal besonders tief. Sie konnte den Arm noch bewegen. Trotzdem würde ihr diese zusätzliche Strapaze das kurze Leben, das ihr vielleicht noch bevorstand, nicht gerade versüßen. Wenn sie es tatsächlich fertig bringen sollte, die nächste Stunde zu überleben, dann war eine blutende Wunde das Letzte, mit dem sie sich herumschlagen wollte.
    Jil schlich den Weg zurück, den sie gekommen war. Ihr Hals schmerzte noch immer entsetzlich, das Schlucken machte ihr Beschwerden. Sie empfand durchaus Dankbarkeit für den Unbekannten, der den Vartyden von ihr ferngehalten hatte, aber es war besser, wenn sie die Angelegenheit schnellstmöglich vergaß. Ein kleiner Teil von ihr hoffte, dass es Ray gewesen war, der sie gerettet hatte, doch sie schüttelte den Gedanken hastig ab. Das hätte bedeutet, dass Ray seinen eigenen Kameraden angegriffen hätte. Sie schätzte ihn nicht so ein, dass er seine Prinzipien wegen einer Frau über Bord warf.
    Als Jil das noch immer weit geöffnete Tor vor sich im Mondschein aufblitzen sah, zögerte sie. Was, wenn vor dem Tor noch mehr Vartyden darauf lauerten, dass sie heraus kam? Jil kam zu dem Entschluss, dass diese Option als höchst unwahrscheinlich einzustufen war. Sie hätten ihren Kameraden den Stadtpark niemals allein betreten lassen. Nach Einbruch der Dunkelheit wimmelte es hier von Sedharym. Jil atmete noch einmal tief durch und setzte dann dazu an, das Tor zu durchschreiten, als sie plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Sie hatte niemanden sich nähern hören, geschweige denn etwas gesehen. Reflexartig fuhr sie herum und schlug mit der Faust ins Gesicht des Angreifers, doch der fing ihr Handgelenk erwartungsgemäß mühelos ab. Mit geweiteten Augen starrte sie in das Gesicht von – Cryson.
     
    *****
     
    »Wo möchtest du denn hin, meine Dame?«, fragte er mit seiner gewohnt schnurrenden Stimme, die Jil einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Cryson trug eine große metallene Armbrust in der linken Hand. Seiner rechten Hand, die auf Jils Schulter lag, fehlten die beiden letzten Finger. Die Wunde war frisch, aber sie blutete nicht. Jil wusste um die enorme Heilungsgeschwindigkeit sedharyscher Wunden, doch es erstaunte sie noch immer. Vermutlich war Cryson randvoll aufgeladen mit frischer Lebensenergie.
    »Ich wollte…«
    »Abhauen?«, unterbrach er sie. Er nahm die Hand von ihrer Schulter und machte eine wegwerfende Geste. »Aber weshalb willst du denn jetzt weggehen? Die Party geht doch gerade erst richtig los.« Sein hübscher Mund verzog sich zu einem giftsüßen Lächeln. Obwohl er gerade offensichtlich einen Kampf bestritten hatte, wirkte er ruhig und gelassen. Sein maßgeschneiderter Anzug war verknittert und das Hemd hing ihm aus der Hose, aber sein makelloses Gesicht war weder verschwitzt noch wirkte er gehetzt, nicht einmal seine Augen glühten. Jil spürte bei seinem Anblick einen Stich in der Brust. Sie hatte ihm einmal vertraut, vielleicht hatte sie sich sogar ein bisschen in ihn verliebt. Bei dem Gedanken daran stieg Übelkeit in ihr auf. Ihre Gefühle waren chaotischer als ihr damaliges Zimmer in ihrem Elternhaus. Cryson schien ihr ihre Verwirrung anzumerken.
    »Du siehst ganz schön mitgenommen aus. Komm mit, hier draußen ist nicht der richtige Ort für meine Prinzessin.« Er griff nach Jils Hand, machte auf dem Absatz kehrt und zog sie hinter sich her. Jil ließ sich widerstandslos abführen. Sie spürte die aufkeimende Verzweiflung in sich und versuchte, sie niederzuringen. Ihr schien es, als wären ihr Ruhe und Einsamkeit einfach nicht mehr vergönnt. Sie wollte doch einfach bloß die Stadt verlassen und nie wieder zurückkehren, weshalb ließ man sie nicht gewähren?
    »Wir hatten schon gedacht, dass du gescheitert bist oder gekniffen hättest, aber du hast mich wirklich eines Besseren belehrt. Ich bin sehr stolz auf dich«, sagte Cryson.
    Jil räusperte. »Wovon sprichst du?« Ihr Hals schmerzte beim Sprechen bestialisch, aber diese Frage brannte ihr auf der Seele. Sie hätte sich notfalls auch ein Bein abgeschnitten, um sie ihm zu stellen.
    Cryson strich sich eine Strähne seiner dunklen Haare aus dem Gesicht. »Von dem Sedhiassa natürlich. Du hast es geschafft, dafür bin ich dir sehr

Weitere Kostenlose Bücher