Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg
Lungen. Ray hustete. Es dauerte Minuten, ehe er wieder in der Lage war, klar zu sehen und in einem gleichmäßigen Rhythmus zu atmen. Neben ihm stand Liam. Er musste es gewesen sein, der Ray aus dem Wasser gezogen hatte. Liam lächelte ihn kurz an, wandte sich dann ab und übergab sich. Sein Erbrochenes war klar wie das Wasser selbst. Nola und Cole saßen einige Stufen weiter oben auf der Treppe und lagen sich in den Armen. Nola schluchzte. Ray hatte sie noch nie weinen sehen. Ihr blondes Haar klebte an ihrer Stirn, ihr ganzer Körper zitterte.
Ray schleppte sich die Stufen zu ihnen hinauf. Cole begegnete Rays Blick mit einem Ausdruck von Erleichterung und Erschöpfung. Sein Mund verzog sich zu einem schwachen Lächeln. »Wir haben es geschafft«, sagte er mit dünner Stimme. Ray nickte stumm. Auch Liam hatte seinen Magen indes vollständig entleert und war zu ihnen hinauf gekrochen.
»Wir brauchen Energie«, sagte er mit rauer Stimme. »Oder wir haben gar nichts geschafft.«
Nola löste sich aus Coles Umarmung und blickte Ray aus verweinten Augen an. »Liam hat Recht. Wir müssen hier raus und uns eine Nahrungsquelle suchen.«
Ray stieß der Gedanke an einen menschlichen Wirt sauer auf. Das letzte Mal, als er sich dazu herabgelassen hatte, war er verraten und verkauft worden. Jil. Er würde sie finden müssen. Jetzt war er froh, dass er noch lebte und nicht an Deans Stelle getreten war. Er hatte noch eine Rechnung zu begleichen.
»Ja, du hast Recht«, knurrte Ray. »Und wenn wir das getan haben, muss ich noch etwas Dringendes erledigen.«
Er schleppte sich die Treppe hinauf und öffnete die Tür nach Haven.
*****
»Ist er tot, Logan?«
»Keine Ahnung, aber er rührt sich nicht mehr.«
»Dann ist er wohl tot.«
Obwohl Jil ihre Gesichter in der Dunkelheit nicht erkennen konnte, wusste sie, dass sich die beiden Männer angrinsten. Der Herkunft ihrer Stimmen nach zu urteilen standen sie keine zehn Schritte von ihr entfernt. Die Kampfgeräusche waren längst verstummt, nachdem der vermeintlich tote Gegner zuerst ein ersticktes Stöhnen ausgestoßen hatte und dann mit einem dumpfen Geräusch zu Boden gefallen war.
»Da vorne geht es nicht weiter!«, rief eine dritte Stimme aus größerer Distanz. »Der ganze verdammte Gang ist eingestürzt. Die Bastarde haben die Zugänge nach Varyen in die Luft gejagt.«
Schritte entfernten sich. »Bist du sicher?«
Jil hörte, wie jemand einen Gesteinsbrocken gegen die Wand warf. »Dann räumen wir den Schrott zur Seite.«
»Das dauert zu lange«, sagte derjenige, den sein Kamerad mit Logan angesprochen hatte. »Das ist Zeitverschwendung. Lasst uns nachsehen, ob einer der anderen Zugänge noch offen ist.« Er stieß ein gehässiges Lachen aus. »Die Vartyden sind so dumm, sie sprengen die Gänge, obwohl sich ihre eigenen Leute noch dahinter befinden.« Die anderen Männer fielen in sein Lachen ein.
»Dann gehen wir, ich möchte nichts verpassen.«
Jil hörte ihre trampelnden Schritte, als die Männer an ihr vorbeieilten. Erst, als ihre Stimmen verklungen waren und vollkommene Stille den Gang erfüllte, wagte Jil, sich wieder zu bewegen. Die Männer mussten sie doch gesehen haben, oder waren sie so in den Kampf und in ihr Gespräch vertieft gewesen, dass sie die kleine zierliche Gestalt, die sich gegen die Wand presste, nicht bemerkt hatten? Was auch immer der Grund für ihre Missachtung gewesen sein mochte, Jil war es egal. Sie war von dem Gedanken beseelt, Ray zu finden und zu warnen. Jil spürte einen Stich in der Brust, denn plötzlich wurde ihr bewusst, dass sich vielleicht sogar ihre Schwester irgendwo hier unten aufhalten könnte. Lesward mochte ein verlogener Bastard sein, aber in diesem einen Punkt glaubte Jil, dass er die Wahrheit gesagt hatte.
Jil tastete sich an der Wand entlang, bis sie mit dem Fuß gegen einen am Boden liegenden Gegenstand stieß. Es war der leblose Körper des Mannes, den die Sedharym getötet hatten. Jil schluckte ihre Angst und ihren Ekel hinunter und stieg über die Leiche hinweg. Wenige Schritte dahinter begann der Untergrund, allmählich anzusteigen. Jil stieg über lose Steine und Geröll hinweg, bis sie auf einem etwas größeren Brocken ausrutschte und der Länge nach hinfiel. Sie schürfte sich Unterarme und Hände auf und verzog das Gesicht zu einer schmerzerfüllten Grimasse.
»Scheiße«, fluchte sie leise. Doch sie ließ sich in ihrem Vorhaben nicht beirren. Auf allen Vieren kroch sie weiter, bis die Steine auf der
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