Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
welche Magier und Lichtgeborene in ihrer Mitte duldeten.
»Vielleicht«, sagte der Erzherzog milde. »Ich könnte mir vorstellen, dass der junge Fejelis nicht nur die südländischen Fraktionen überraschen wird. Diese Entscheidung liegt jedoch außerhalb unseres Einflussbereichs. Meine Herren«, fuhr er in formellerem Ton fort, »unabhängig von den Befürchtungen meines Bruders: Auf der anderen Seite des Sonnenaufgangs existieren Mächte, die wir nicht verstehen, Mächte, die möglicherweise alles übertreffen, womit wir es je aufnehmen könnten, und deren Beweggründe uns gänzlich unklar sind. Fernerhin wird Isidores Ermordung – gleichgültig, wie das Protokoll der Erbfolgeordnung der Lichtgeborenen auch aussehen mag – zu einem Aufstand führen. Diesen werden die südländischen Fraktionen gewiss nutzen, um erneut die Macht an sich zu reißen. Sollte Fejelis diesen Aufruhr nicht überleben, könnte es also durchaus sein, dass die Erbfolge an seinen jüngeren Bruder geht, und der ist bereits eine Marionette der Südländer.
Ob die größere Bedrohung nun von den Lichtgeborenen ausgeht oder, wie Vladimer glaubt, von den Schattengeborenen, wir müssen uns auf alles vorbereiten. Ich habe eine herzogliche Anordnung in die Grenzlande gesandt, die dazu berechtigt, Kampftruppen aufzustellen, damit wir einer schattengeborenen Invasion standhalten können. Des Weiteren bin ich zu dem Schluss gekommen, Ihnen ebenfalls eine solche Anordnung auszustellen, damit auch innerhalb der Stadt Truppen ausgehoben werden können, um gegen jedwede erdenkliche Krise gewappnet zu sein.«
Als Vladimers Stock einmal kräftig gegen den Sessel schlug, sandte Telmaine einen erschrockenen Peilruf in seine Richtung. Er hatte sich vorgebeugt, die Sehnen an seinem Hals waren gespannt, seine Hand umklammerte den Gehstock. » Nein , Janus«, flüsterte er.
Die Warnung verhallte ungehört oder wurde geflissentlich überhört. »Innerhalb der nächsten Stunde werde ich Ihnen die Dokumente zukommen lassen.«
Sie spürte, wie in Herzog von Mycene eine Woge des Triumphs aufwallte, wenngleich sich im Gesicht des Raubtiers keinerlei Regung zeigte. Der Herzog von Kalamay deutete eine eisige Verneigung an. Imbré beugte sich vor und legte kurz eine knorrige Hand auf Sejanus’ Knie. Vladimer senkte den Kopf.
»Dieser Erlass ist jedoch keineswegs ein Freibrief für die Verfolgung derer – ob Lichtgeborene oder Magiebegabte – , die sich keines Verbrechens schuldig gemacht haben.« Telmaine wusste, dass dieser Zusatz an Kalamay gerichtet war. »Seit fast dreihundert Jahren leben wir nunmehr in Frieden, wenn nicht gar in Freundschaft mit den Lichtgeborenen, und ich kann diese Anordnungen ohne Weiteres ebenso schnell aufheben, wie ich sie erteilt habe. Nichtsdestotrotz möchte ich Sie jetzt bitten zu gehen. Es ist schon spät, wir alle sind müde, und zweifellos erwartet uns morgen eine lange Nacht. Bitte erachten Sie meinen Haushalt als den Ihren.« Während sich die Männer erhoben, und einer nach dem anderen den Raum verließ, stand Sejanus neben seinem Sessel, mit einer Hand auf dessen Rückenlehne. Nur Mycene und Kalamay gingen Schulter an Schulter und berieten sich bereits. Telmaine blieb, wo sie war, denn zum einen war sie fest entschlossen und zum anderen ohnehin wie gelähmt.
»Nun denn, Dimi«, seufzte der Erzherzog. »Sag es.«
»Was soll ich dazu sagen?«, erwiderte Vladimer heiser. »Wie du mir doch erst kürzlich wieder ins Gedächtnis gerufen hast: Du bist der Erzherzog. Ich hoffe nur, dass du Mycene und Kalamay ebenso erfolgreich davon überzeugen kannst.«
Die Miene des Erzherzogs war eine einzige Warnung. »Nach allem, was vorgefallen ist, kann ich unmöglich eine herzogliche Anordnung für die Barone ausstellen, ohne den Herzögen ebenfalls eine zukommen zu lassen. Darf ich noch mit deiner Unterstützung rechnen?«
»Allezeit«, sagte Vladimer. »Und wenigstens hast du sie für heute mundtot gemacht.«
Der Anflug eines dankbaren Lächelns. »Erledige, was du zu erledigen hast, und dann sieh zu, dass du dir etwas Ruhe gönnst, sonst kommt dich deine Unvernunft noch teuer zu stehen. Prinzessin Telmaine«, begrüßte er sie nachträglich und wandte sich bereits zum Gehen, während sie noch raschelnd auf die Beine kam, um einen Knicks zu machen. Die Lakaien schlossen hinter sich und dem Erzherzog sorgfältig die Tür und ließen sie mit Vladimer allein.
»Ferdenzil Mycene sollte niemals auf die Suche nach Ishmael gehen dürfen«,
Weitere Kostenlose Bücher