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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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Uralten. Nun, da du in dein Erbe gekommen bist, ist es deine Aufgabe, diesen Kreis unzerstörbar zu machen. Es ist deine Aufgabe, die sechs großen Zeichen des Lichtes zu suchen und zu bewahren, die im Laufe der Jahrhunderte von den Uralten hergestellt worden sind. Wenn der Kreis vollendet ist, sollen sie in Macht vereint werden. Das erste Zeichen hängt schon an deinem Gürtel, aber es wird nicht leicht sein, die anderen zu finden. Du bist der Zeichensucher, Will Stanton. Das ist deine Berufung, deine vornehmste Aufgabe. Wenn du sie erfüllst, wirst du eine der drei großen Kräfte ins Leben gerufen haben, die die Uralten bald einsetzen müssen, um die Mächte der Finsternis zu besiegen, die sich heimlich, aber beständig über diese Welt ausbreiten.«
    Seine Stimme, die in immer feierlicherer Weise sich gehoben und gesenkt hatte, ging unmerklich in eine Art von gesungenem Schlachtruf über. Ein Schlachtruf, dachte Will, dessen Haut sich plötzlich vor Kälte spannte, der an die Dinge außerhalb der großen Halle und außerhalb dieses Augenblicks gerichtet ist.
    »Denn die Finsternis, die Finsternis erhebt sich. Der Wanderer ist unterwegs, der Reiter reitet,
SIE
sind erwacht, die Finsternis erhebt sich. Der Letzte des Kreises ist gekommen, sein Erbe anzutreten, und die Kreise müssen sich vereinen. Das weiße Pferd muss den Jäger treffen; der Fluss wird zum Tal kommen; auf dem Berg muss Feuer brennen. Feuer unter dem Stein, Feuer über der See. Feuer, um die Finsternis hinwegzubrennen, denn die Finsternis, die Finsternis erhebt sich!«
    Er ragte hoch wie ein Baum in der schattigen Halle, die tiefe Stimme hallte von den Wänden wider und Will konnte seinen Blick nicht von ihm wenden.
Die Finsternis erhebt sich.
Das war es, was er in der vergangenen Nacht gespürt hatte. Das war es, was er jetzt wieder fühlte. Ein verschwommenes Bewusstsein, dass etwas Böses wie mit Nadelspitzen seine Fingerkuppen, seinen Nacken berührte. Aber um nichts in der Welt hätte er einen Ton von sich geben können.
    Merriman erhob seine Stimme zu einem seltsamen Singsang, der gar nicht zu seiner Ehrfurcht gebietenden Gestalt passte. Es klang, als sagte ein Kind ein Gedicht auf:
Erhebt die Finsternis sich wieder, wehren sechs sie ab;

Drei aus dem Kreis und Drei von dem Pfad.

Holz, Bronze, Eisen; Wasser, Feuer, Stein;

Fünf kehren wieder und Einer geht allein.
    Dann trat er eilig aus dem Schatten heraus, vorbei an der Alten Dame, die still und mit glänzenden Augen in ihrem hochlehnigen Sessel saß; mit einer Hand nahm er eine der dicken weißen Kerzen aus dem brennenden Ring, mit der anderen drehte er Will auf die hohe seitliche Wand zu.
    »Schau gut hin, nutze jeden Augenblick, Will«, sagte er. »Die Uralten werden dir etwas von ihrem Wesen zeigen und etwas in deinem tiefsten Innern wecken. Schau jedes Bild einen Augenblick an.«
    Und mit Will an seiner Seite schritt er eilig an den Wänden der Halle entlang, hielt immer wieder neben den Bildteppichen die Kerze hoch. Als habe er einen Befehl erteilt, strahlte jedes Mal ein bestimmter Gegenstand in dem gestickten Viereck auf, so hell und leuchtend wie ein sonnenbeschienenes Bild, das man durch einen Fensterrahmen betrachtet. Und Will schaute.
    Er sah einen Maibaum, weiß von Blüten, der aus dem Strohdach eines Hauses wuchs. Er sah vier große graue Steine, die auf einer grünen Landzunge über dem Meer standen. Er sah den weißen Schädel eines Pferdes; die leeren Augenhöhlen grinsten; aus der Knochenstirn wuchs ein einzelnes, kurzes, abgebrochenes Horn und die langen Kiefer waren mit rotem Band geschmückt. Er sah, wie der Blitz in eine hohe Buche fuhr und wie daraus ein großes Feuer, entstand, das auf einem kahlen Abhang vor einem schwarzen Himmel brannte.
    Er sah das Gesicht eines Jungen, nicht viel älter als er selbst, der ihn neugierig anstarrte: ein dunkles Gesicht unter glänzendem, dunklem Haar mit seltsamen Katzenaugen. Die Pupillen waren am Rande glänzend, aber im Innern beinahe gelb. Er sah einen breiten Fluss, der über die Ufer getreten war, daneben einen verhutzelten alten Mann, der auf einem riesigen Pferd hockte.
    Während Merriman ihn so mit fester Hand von einem Bild zum andern führte, sah er mit plötzlichem Erschrecken das strahlendste der Bilder: einen maskierten Mann mit einem menschlichen Gesicht, dem Kopf eines Hirsches, den Augen einer Eule, den Ohren eines Wolfes und dem Körper eines Pferdes. Die Gestalt sprang ihm ins Auge, zerrte an einer

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