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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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Gegenübertreten zweier so unterschiedlicher Extreme der Zauberei bestand die Gefahr, dass einer von beiden vernichtet würde. Stattdessen würde Will der Macht des Grauen Königs gegenübertreten, wie er es jetzt tat: eingepflanzt in den Geist eines böswilligen, aber unschuldigen Mannes, eines Mannes, der zum schrecklich leicht zerbrechlichen Gefäß für die Macht der Finsternis gemacht worden war. Wenn das Licht in dieser Begegnung zu einem endgültig vernichtenden Schlag ausholen sollte, würde die Finsternis immer noch geschützt sein, aber der Geist des Mannes würde unweigerlich zerstört werden. Caradog Prichard, falls er jetzt noch bei Verstand war, würde dann für immer in hoffnungslosen Wahnsinn getrieben werden. Wenn Will eine solche Begegnung nicht irgendwie vermeiden konnte, gab es keinen Ausweg. Der Graue König benutzte Prichard als einen Schild und wusste, dass er selbst geschützt bliebe, wenn der Schild zerstört würde.
    Will rief voller Angst — und wusste kaum, was er tat: »Caradog Prichard! Hören Sie auf! Lassen Sie uns allein! Um Ihrer selbst willen, lassen Sie mich allein!«
    Aber es war sinnlos. Das Gewicht ihrer Auseinandersetzung war schon zu groß, wie ein Rad, das immer schneller bergab rollt. Caradog Prichard betrachtete in kindischem Entzücken den vor Fisch brodelnden See, rieb sich die Hände und redete auf Walisisch mit sich selbst. Er sah Will an und kicherte. Er hörte nicht auf zu reden, wechselte aber zu Englisch über. In einem halb verrückten Unterhaltungston kamen ihm die Worte schnell von den Lippen.
    »Siehst du jetzt die hübschen Wesen, so viele tausende, und alle gehören uns und tun, was wir sagen, wir sind sechs Schwänen besser gewachsen, als du erwartet hast, eh,
dewin bach?
Du weißt ja nicht, worauf du dich eingelassen hast, uns reicht es jetzt mit dem Unsinn, meinen Freunden und mir, es wird Zeit, dass du mir den Hund zeigst, den Hund, denn all deine Mätzchen, uns loszuwerden, werden dir nichts nützen. Überhaupt nichts nützen. Ich will jetzt den Hund, Engländer, du sagst mir, wo ich den Hund finde, und mein schönes Gewehr wartet dort drüben im Auto schon auf ihn, und in diesem Tal werden keine Schafe mehr ermordet. Dafür werde ich sorgen.«
    Er beobachtete Will, die kleinen Augen schossen pfeilschnell hin und her und glichen selbst kleinen Fischen. Plötzlich hefteten sich seine Blicke erneut auf die in Sackleinen gewickelte Harfe.
    »Aber zuerst möchte ich gern sehen, was du dort unter dem Arm trägst, Junge; daher denke ich, dass du es mir zeigen wirst, wenn du willst, dass wir dich in Ruhe lassen.« Bei den letzten Worten kicherte er wieder, und Will wusste, dass er jetzt nicht mehr hoffen konnte, den Berghang zu erreichen, die Stelle, an der es am sichersten und am passendsten gewesen wäre, die goldene Harfe zu spielen. Er trat langsam zurück, in einer geschmeidigen Bewegung, die Caradog Prichard nicht beunruhigen sollte, und da Prichards glänzende Augen zu spät Wachsamkeit zeigten, zog er die Harfe aus ihrer Hülle, legte sie in den gebeugten Arm, wie er es bei Bran gesehen hatte, und ließ die Finger der anderen Hand über die Saiten gleiten.
    Und die Welt veränderte sich.
    Schon jetzt hatte der Himmel einen dunkleren Grauton angenommen, als der Nachmittag in den Abend überging und die Wolken immer mehr nach Regen aussahen. Aber als die lieblichen Klänge der kleinen Harfe emporstiegen, von süßer Wehmut erfüllt, schien ein seltsames Leuchten ganz zart aus See und Himmel und Wolken, aus Berg und Tal, Farn und Gras aufzusteigen. Farben wurden kräftiger, dunkle Stellen dichter und geheimnisvoller, jeder Anblick und jede Empfindung lebhafter und deutlicher. Die Fische, die die ganze schwankende Oberfläche des Sees bedeckten, veränderten ihre Lage; wie glitzerndes Silber sprang ein Fisch nach dem anderen in die Luft und kam in einem Bogen wieder herunter, bis der See nicht mehr beladen schien mit dem schweren Gewicht träger Kreaturen, sondern lebendig und tanzend vor hellen Streifen silbernen Lichts.
    Und aus dem dem Meer zugewandten Ende des Tales ertönte zum See hin ein anderes Geräusch über den lieblichen Arpeggios, die Wills Finger mit sanften Bewegungen den Saiten seiner Harfe entlockte, ein raues Schreien, wie der Ruf der Möwen. In Gruppen oder paarweise fliegend, ohne Formation, kamen die seltsamen ellipsenförmigen Kormorane auf den See zugestürzt, zwanzig oder dreißig, mehr als Will je zusammen hatte fliegen sehen. Die

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