Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
trat ans Fenster und blickte nach unten. Schnell wandte er sich zu Jane. »Wir hätten es wissen müssen. Sie beobachten uns schon. Der Junge sitzt am Ende der Straße auf der Mauer. Er tut überhaupt nichts — er sitzt einfach da und schaut hier herauf. Sie müssen darauf warten, dass wir herauskommen, denn sie wissen nicht, ob wir gestern Abend den Schlüssel gefunden haben, der uns weiterführt.«
»So ein Mist.« Jane biss sich auf die Lippen. Seit der Nacht auf der Landzunge war sie tiefer beunruhigt als je zuvor. Es war, als kämpften sie nicht gegen Menschen, sondern gegen eine dunkle Gewalt, die sich der Menschen als Werkzeug bediente und mit ihnen tun konnte, was sie wollte. »Hat das Haus nicht einen Hinterausgang, durch den wir auf die Landzunge gelangen könnten?«
»Ich weiß nicht. Wie komisch. Wir haben uns nie darum gekümmert.«
»Nun, wir haben anderes zu tun gehabt. Aber ich glaube, wenn es einen Hinterausgang gibt, werden sie ihn im Auge behalten.«
»Also, der einzige Mensch, der wahrscheinlich etwas über einen Weg hintenherum weiß, ist dieser Bill, und der sitzt vorn. Es kann nicht schaden, wenn wir einmal nachsehen.«
Barney war zurückgekommen, der Hund sprang voller Freude neben ihm her. »Es gibt einen Weg«, sagte er. »Man kann am Ende des hinteren Gartens durch die Hecke. Ich habe es eines Morgens entdeckt, bevor ihr auf wart. Eigentlich hat Rufus ihn mir gezeigt — er lief herum, und plötzlich war er verschwunden, und ich hörte ihn weit draußen bellen, da war er schon halb auf der Landzunge. Man stößt hinter der Hecke auf einen Feldweg, und ehe man sich's versieht, ist man schon auf Kenmare Head. Wir haben eine gute Chance, denn die werden nicht erwarten, dass wir dort hinausgehen — es ist kein Tor dort.«
»Gummery wird diesen Weg nicht kennen«, sagte Jane plötzlich. »Er wird zur Vordertür hinausgehen, und sie werden ihm folgen, und das wäre genauso schlimm, als wenn sie hinter uns herkommen würden.«
»Keine Angst«, sagte Barney zuversichtlich. »Er wird sie schon irgendwie abschütteln. Ich wette, diesmal haben sie nicht die geringste Ahnung, wo wir sind.«
Als die Kinder gegangen und das Haus still geworden war, verbrachte Mrs Palk die nächsten zwei Stunden damit, im Erdgeschoss sauber zu machen. Sie vermied es dabei sorgfältig, ein Geräusch zu machen. Dann setzte sie sich zu einer gemütlichen Tasse Tee in die Küche.
Sie machte den Tee sehr stark und benutzte eine von den besten Tassen des Kapitäns: eine sehr große Tasse aus dünnem, fast durchscheinendem weißen Porzellan. Mit einem Ausdruck großer innerer Genugtuung auf dem Gesicht saß sie da und nippte an ihrem Tee. Nach einer Weile trat sie an einen Schrank unterhalb des Ausgusses, holte ihre große Einkaufstasche heraus und entnahm ihr einen Knäuel glänzender bunter Bänder und ein kunstvolles Gebilde aus Federn, das einem Indianerkopfschmuck nicht unähnlich war. Sie setzte es sich auf den Kopf, betrachtete sich im Spiegel und kicherte. Dann legte sie es sorgsam beiseite und goss Tee in eine frische Tasse. Diese stellte sie auf ein Tablett und segelte durch die Diele und die Treppe hinauf: eine stattliche, lächelnde, geheimnisvolle Galionsfigur von einer Frau.
Ohne anzuklopfen öffnete sie die Tür zu Großonkel Merrys Zimmer, ging hinein und stellte das Tablett neben das Bett. Großonkel Merry hatte sich in seine Decken vergraben und atmete schwer. Mrs Palk zog die Vorhänge beiseite und ließ das Licht in den dämmrigen Raum strömen, beugte sich dann herab und schüttelte den Schlafenden derb an der Schulter. Als er sich rührte, trat sie schnell zurück und wartete. Dabei strahlte sie mit ihrem gewohnten gütigen, mütterlichen Lächeln auf ihn hinunter.
Er gähnte, stöhnte, griff sich verschlafen an den Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch das zerzauste weiße Haar.
»Zeit zum Aufstehen, Herr Professor«, sagte Mrs Palk strahlend. »Schön lang geschlafen haben Sie nach all dem Rumlaufen letzte Nacht. Hat Ihnen aber sicher gut getan. Wir sind ja alle nicht mehr so jung, wie wir mal waren, nicht wahr?«
Großonkel Merry sah sie an und grunzte, dann rieb er sich die Augen.
»Trinken Sie Ihren Tee, dann geh ich inzwischen und mach Ihnen Frühstück.« Mrs Palks Stimme dröhnte weiter, während sie sich zum Fenster wandte und die Vorhänge zurechtzupfte. »Zur Abwechslung können Sie's diesmal in aller Ruhe zu sich nehmen. Die Kinder sind schon seit Stunden
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