Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
ruhte kurz über ihrem Hintern und hielt sie fest, während sie ihre eigenen kraftlos baumeln ließ. „Warte mal ab, bis du mich das nächste Mal füttern musst. Wer weiß, was dann passiert.“
Er legte sein Kinn auf ihrem Kopf ab. „Wir werden uns einen ruhigen Ort dafür suchen.“
„Du meinst“, sie zog die Stirn kraus, „wie ein Tempel in Tibet?“
„Nein. Eher wie eine Hütte im Nirgendwo von Island.“
Sie konnte ihr Grinsen nicht unterdrücken. Er würde mit ihr nach Island ziehen. „Du willst mit mir alt werden? Wobei … du bist ja schon alt.“
„Der Witz verliert irgendwann seine Wirkung“, entgegnete er überraschend.
„Ja, aber noch ist es nicht soweit.“ Ju gab ihr einen Klaps auf den Hintern. „Aua!“ Sie zwickte ihn in die Brust und schaute zu ihm auf. „Du möchtest echt mit mir zusammenziehen? Hast du dir das auch gut überlegt? Ich konnte früher nicht einmal mein eigenes Zimmer ordentlich halten.“
„Das werde ich dir schon beibringen.“
„Das hat meine Mutter auch immer gesagt.“
Unweigerlich kippte ihre Stimmung in Wehmut um. Elín dachte an eine Zeit zurück, die Ewigkeiten her zu sein schien. Letztes Jahr zu Weihnachten war sie tatsächlich noch eine normale Sterbliche gewesen, hatte mit ihren Eltern zu Abend gegessen und gemeinsam Geschenke ausgepackt. Und jetzt? Stand sie verletzt und nackt und als etwas vollkommen anderes in einer Dusche bei einem Mann, der ihr fremd sein sollte. Es aber nicht war.
Die Akkadia lehnte sich gegen ihren Gefährten und versuchte, nicht undankbar zu erscheinen. Sie wollte nicht traurig sein oder der Vergangenheit nachhängen.
Aber.
Verdammt!
Sie würde ihre Eltern niemals wiedersehen.
Elín hielt sich die Hände vor die Augen und konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.
Kapitel 28
Jolina erwachte in einem fremden Bett und fuhr erschrocken auf, schaute sich um und erkannte, dass dies ihr Gemach im Schloss des Satorenkönigs war. Sie ließ sich zurück in die weichen Kissen fallen und kuschelte sich noch einmal hinein.
Die Halbgöttin hatte von ihrem Zuhause geträumt, von Mutter, von Elias und von Noah. Von einer Zeit, die lange vorbei war, von dem Tag, an dem ihr Leben zum letzten Mal sorgenfrei gewesen war. Und Jolina wusste auch, was sie an diesen Tag erinnert hatte – der Moment, als Daman ihr gute Nacht gesagt hatte.
Gestern Abend waren sie zusammen bis vor ihre Tür gegangen. Er hatte ihre Hand genommen und ihr einen Kuss auf die linke Wange gegeben. Ganz ohne Hintergedanken und diese überwältigende Lust, die ständig zwischen ihnen vorherrschte und die ihr jedes Mal den Atem raubte. Der Sator hatte sich anständig, geradezu sympathisch verhalten, hatte ihr eine Seite an sich gezeigt, die sie vorher noch nicht wahrgenommen hatte. Es war ein Moment vollkommener Unschuld gewesen, wie sie ihn seit Ewigkeiten nicht erlebt hatte.
Doch von diesem kurzen Glück war heute nichts mehr übrig. Heute würden sie zum Tor gehen und um Durchlass bitten. Bei diesem Gedanken schlug ihr Herz schneller. Sie trug nicht mal eine Waffe bei sich, hatte keinen Proviant eingepackt, war vollkommen kopflos davongestürmt.
Jolina sprang aus dem Bett, stolperte über den Vorleger und fing sich im letzten Moment an der Sessellehne ab. Mit einem strengen Blick an sich selbst atmete sie noch einmal durch und fuhr mit halber Geschwindigkeit fort.
Am Frisiertisch wusch die Halbgöttin Gesicht und Oberkörper in zügigen Bewegungen, zog die Sachen vom gestrigen Tag wieder an und steckte ihre Locken am Hinterkopf fest, warf sich die Tasche über ihre rechte Schulter und ging zur Tür.
Draußen erfüllte morgendlicher Frieden die leeren Gemäuer. Diese Stille, bevor alle aufstanden und der Alltag weiterging, bevor die drei Sonnen den Horizont küssten und bevor Jolina eine Reise antreten würde, von der es bald kein Zurück mehr gäbe.
Eigenartig. Ein geradezu berauschendes Gefühl bildete sich in ihrem Bauch. Freute sie sich etwa darauf? Unmöglich! Das musste Angst sein.
Sie zog die Tür leise ins Schloss und schritt an der Balustrade entlang, folgte den Stufen nach unten und schaute sich um. Niemand war zu sehen. Jolina durchquerte den Gang bis zur Halle und lauschte. Von links drang Geschirrscheppern durch den Torbogen. Da sie nicht wusste, wo Damans Gemach lag, würde sie einfach jemanden fragen.
Die Halbgöttin tauchte unter den weißen Vorhängen hindurch und lief den Flur entlang, bis ans Ende, wo die Geräusche herkamen.
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