Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
Nahams Gier. Und obwohl ihn die Erinnerungen an ihre Nacktheit und ihr Lachen heimsuchten, fühlte er auch jetzt weder Lust noch Verlust angesichts ihres Todes. Allein der Hunger meldete sich in seinem Magen. Und den musste er stillen, um die Wunde zwischen seinen Rippen endgültig zu verschließen, bevor er einen Tag lang allein mit Elín in einer Höhle festsaß.
„Thanju!“
„Was ist?“, brüllte er und wirbelte herum.
Elín stand genau hinter ihm, riss die Augen auf und schluckte. „Ähh …“
Er unterdrückte den Durst, der sich soeben gezeigt hatte, und zwang sein Gesicht zur Normalität.
„Ja bitte?“
„Nichts. Ist schon gut. Alles bestens.“ Sie ging starr an ihm vorbei.
Ju spannte seine Kiefer unwillkürlich an und folgte ihr.
„Nach rechts“, befahl er.
„Na endlich“, flüsterte sie. „Wenn du mich suchst, ich lieg im Koma.“ Elín stolperte ins Dunkel des dreieckigen Höhleneingangs, setzte sich auf den ersten Stein und streckte ihre langen Beine aus. Sie stöhnte, als sie die Stiefel auszog und ihre Füße massierte.
Ein Geruch erfüllte seine Nase. Nicht unangenehm, aber überraschend. Sie duftete nach Blumen, Sommerblumen und damit eindeutig zu gut für seinen aktuellen Zustand.
„Ruh dich aus! Ich suche Brennholz.“
Doch sie hatte sich schon in seinen Mantel gekuschelt, nach hinten angelehnt und die Augen geschlossen. Sah friedlich aus. Freute sich über eine dunkle Höhle und einen Stein, als hätte sie nie mehr besessen. Und er wäre derjenige, der diesen Frieden mit der Wahrheit über ihr verlorenes Leben zerstören würde.
Mit jeder Sekunde wurde es wärmer um sie herum. Feuer knisterte und loderte mit sanftem Schein, der ihre müden Augen weckte.
Elín blinzelte sich aus ihrem Schlaf. Schon wieder eine Höhle. Aber dieses Mal jagte es ihr keine Angst ein.
Neben ihr brannte ein kleines Feuer. Sie setzte sich zur Seite und hielt erst ihre Hände an die Wärmequelle, dann ihre kalten, nassen Füße.
„Schon besser“, seufzte sie.
Aus der anderen Ecke der Höhle kam ein schmatzendes Geräusch.
Elín sah hoch, drehte sich ruckartig zurück und würgte, als sie erkannt hatte, was Ju in den Händen hielt.
„Verfluchte Scheiße! Ist das …?“
„Nahrung“, sagte er knapp.
„Du hast ein Tier getötet?“, schrie sie entsetzt. „Wie kannst du nur?!“
Mit zusammengekniffenen Augen spähte sie über ihre Schulter. Der kleine blutige Leib war bereits gehäutet und an einem Stock befestigt.
„Das kannst du so was von alleine essen!“, spie sie aus.
„Es ist für dich“, grummelte er.
„Oh! Ja, danke! So was hab ich mir schon immer gewünscht!“ Sie schüttelte angewidert den Kopf und drehte dem Feuer, Ju und dem toten Fuchs den Rücken zu. „Ich kotz gleich.“
„Elín, du musst etwas essen. Sonst kommst du morgen keine drei Meter weit.“
„Scheiße, nein!“
„Elín!“, sagte er tadelnd.
„Ju!“, äffte sie ihn nach.
„Verdammt noch mal! Jetzt lass ihn wenigstens nicht umsonst gestorben sein!“
Sie wirbelte herum und funkelte ihn an. „Hör verflucht noch mal auf, mich anzuschreien! Ich esse nun mal kein Fleisch! Verstanden?!“
Seine Verwunderung währte nur einen Moment, danach kehrte Ausdruckslosigkeit zurück. Doch etwas war anders. Ein kleines Fältchen bildete sich neben seinem rechten Auge. Der Mundwinkel zuckte. Und plötzlich lachte er – tief und rau, doch eindeutig belustigt.
„Was ist daran bitte so komisch?“
„Das ist …“, seine Worte endeten in einem sehr männlichen Kichern, die massigen Schultern zuckten und er schüttelte ungläubig den Kopf, „… zu komisch. Eine vegetarische … Isländerin.“
„Du kannst mich mal!“, blaffte sie und marschierte Richtung Höhlenausgang. „Blöder Arsch!“
Es musste erst vor kurzem hell geworden sein.
„Warte!“, rief Ju ihr nach. „Elín!“
Im nächsten Moment spürte sie seine Pranke an ihrem rechten Handgelenk. Doch die Wut über ihn wurde plötzlich von einem anderen Gefühl übermannt.
Unruhe.
Rasende Unruhe.
Elín griff mit der linken Hand an ihren Bauch, als müsste sie etwas in ihrem Inneren festhalten, und sah auf zum Licht. „Ich muss nach draußen“, hörte sie sich stammeln. „Lass mich los!“
„Nicht, Elín. Du musst dich ausruhen.“ Ju zog an ihrem Arm und sie versuchte sich dagegenzustemmen.
„Ich muss ins verdammte Licht. Lass mich los oder ich kratz dir die Augen aus!“ Sie wusste nicht, woher die Worte kamen, doch schienen
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