Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
nicht genug Kraft, um sich in Rauch aufzulösen. Aber ob das bei dieser Abart auch klappte – würde er gleich wissen.
Er gelangte ins Wohnzimmer und wurde von einer riesigen Klinge begrüßt, konnte ihr im letzten Moment ausweichen. Zumindest schien das Halbblut derart wütend zu sein, dass es einen Kampf forderte.
Als es sein Schwert erneut auf ihn niedersenken wollte, kreuzte Ju die Dao über seinem Kopf und hielt der Kraft seines Gegners mit Mühe stand. Er rammte ihm den blanken Fuß in den Bauch, brachte ihn auf Abstand, doch dem Gewicht des Riesen musste der Holztisch in der Mitte des Raumes weichen.
Ihre Klingen prallten aufeinander. Und mit den Säbeln hatte Ju einen Vorteil. Nicht nur, dass sie kürzer und damit wendiger waren, er hatte außerdem zwei Schneiden, wo der Taryk nur eine besaß. Nichtsdestotrotz stellte sein Gegner eine Herausforderung dar.
Ju krachte rücklings gegen einen Schrank und duckte sich unter dem herannahenden Schwert hindurch, rammte ein Dao bis zum Heft in den blassen Bauch des Halbbluts und versuchte es nach oben zu ziehen. Doch da war er schon wieder außer Reichweite. Der Akkadier sprang hinterher und zwang seinen Gegner mit gekonnten Hieben weiter zurück. Näher an die Wand ran. Sein Schwert schnellte nach vorn, Thanju wich aus. Im nächsten Moment donnerte der Taryk durch die Wand, die Ju eben noch für eine Falle gehalten hatte, als wäre sie aus Papier. Und noch ehe er folgen konnte, hatte sich das Halbblut in stinkenden Rauch aufgelöst.
„Scheiße!“, murmelte er genervt und starrte die weißen Fliesen des kleinen Badezimmers an. Chance verpasst.
„Tut mir leid, ging nicht schneller.“ Roven stand hinter ihm und verstaute sein Schwert gerade im Mantel.
„Ich hatte ihn fast“, sagte er. „Ich glaube, er wird schwächer. Vielleicht fehlt ihm der Kontakt zur Königin.“
Der Schotte sah sich in dem demolierten Wohnzimmer um. „Mhm. Ist sowieso eigenartig, dass sie ihren besten Kämpfer einfach so sich selbst überlässt.“
Ju nickte und wischte die Klingen des Dolches an seiner Hose ab, verstaute beide in der Halterung an seiner Brust. Danicas Sohn. Es war tatsächlich Danicas Sohn, auf den sie Jagd machten. Wie sehr hatten sich die Zeiten doch verändert. War es überhaupt richtig, ihn töten zu wollen? Hatten sie eine andere Chance?
„Roven?“
Ju drehte sich um und betrachtete das junge Gesicht des Schotten. Seine Augenbrauen schnellten nach oben, in Erwartung, was Ju sagen wollte.
„Ich habe Zweifel.“
Er zog die Stirn in Falten. „Was meinst du?“
„Er ist zur Hälfte Akkadier. Vielleicht sollten wir die Götter in diesem Fall doch erst kontaktieren, bevor wir blindlings töten.“
Roven verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir haben hier schon wieder eine Leiche und du denkst tatsächlich darüber nach, ihn am Leben zu lassen?“
„Er ist nun einmal Danicas Sohn.“
„Das glaubst du doch wohl selber nicht, dass sie diese Missgeburt als Sohn anerkennt.“
„Das können wir nicht entscheiden.“
Roven stieß den Atem aus und schüttelte ungläubig mit dem Kopf. Dass er den Mörder seiner Gefährtin nicht einfach laufen lassen wollte, konnte Ju nachvollziehen.
„Hast du gezögert?“, fragte sein Dalan grimmig.
„Was meinst du?“
„Du hättest ihn töten können und hast gezögert!“, behauptete Roven.
„Nein. Ich bin nicht nah genug an ihn rangekommen.“
„Na klar doch.“
Ju ließ das unkommentiert. Hatte keinen Sinn, mit Roven über dieses Thema zu diskutieren.
Elín erschien im Türrahmen zum Wohnzimmer. Schön wie immer. Göttin! Sie war so schön. Wieso fiel ihm das erst jetzt auf? Ihre hellblauen Augen schauten aus der dicken Kapuze hervor, die Wangen waren von der Kälte gerötet.
„Roven?“
„Ja.“ Er antwortete ihr, ohne Ju aus den Augen zu lassen.
„Ich glaub, … du solltest mal nach Selene sehen.“
Seine Gesichtszüge entglitten ihm. Er ließ die Arme sinken, drehte sich zu ihr herum und ging auf sie zu. „Ist sie verletzt?“
„Nein. Nein, ist was anderes, denk ich.“
Mit schweren Schritten stürmte Roven an Elín vorbei aus dem Zimmer.
Sie sah ihm kurz nach und blickte Ju wieder an. „Ich hab es von draußen nur krachen gehört. Alles okay bei dir?“
Er nickte und trat aus der Wandöffnung zurück ins zertrümmerte Wohnzimmer. „Bei dir?“
Sie vermied jeglichen Blickkontakt zur Leiche. „Ich bin unverletzt, falls du das meinst.“
„Gut.“ Es war sicher nicht der beste Ort,
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