Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
biss die Zähne zusammen und schenkte seinem Rücken ihren tödlichsten Blick. Half nichts. Wieso zum Teufel bockte er jetzt rum? Immerhin war sie diejenige, die allen Grund hatte, wütend zu sein.
Sie drehte sich um und schob sich durch zwei eng zusammenstehende Regale hindurch. Auch von innen wirkte die Scheune, als wäre sie seit Jahren nicht betreten worden. Alles war verstaubt und rostig – Werkzeuge, Maschinen und diverser Mist, teilweise mit großen Stoffbahnen verhangen. Spinnennetze verbanden das alles miteinander und ließen es wie eine trostlose Einheit erscheinen. Elín stolperte über irgendetwas und fluchte.
„Wozu brauchst du das Benzin denn nun?“
„Denkst du, man kann diesen Leichnam einfach so liegenlassen?“, dröhnte es von der anderen Seite der hölzernen Halle.
„Hmm. Gibt´s da keinen Trick, mit dem man ihn verschwinden lassen könnte?“
„Doch. Es nennt sich Feuer.“
„Haha! Sehr witzig. – Aua!“, rief sie und rieb sich den rechten Handrücken, der von etwas verletzt worden war. Es musste ein Schnitt sein, denn die Fingerkuppen ihrer linken Hand wurden feucht. Elín betrachtete die Wunde – und erstarrte.
„Ach du Scheiße.“
„Was ist?“
„Ich … Mein Blut. Es ist … golden.“
Ju holte hörbar Luft. „Guten Morgen.“
„Ist das normal?“, rief sie nach hinten in die Dunkelheit und bewegte ihre Hand nach links und rechts. Im Schein ihrer Augen schimmerte es richtig schick. „Welche Farbe hat dein Blut?“
„Was glaubst du, warum dein Körper anfängt, golden zu leuchten, wenn er stark durchblutet ist?“
Elín schnaufte. „Stark durchblutet nennst du das, ja?“
Das andere Ende der Scheune blieb still.
Alle Akkadier hatten also goldenes Blut. Wieso hatte er das nicht erzählt? Vielleicht, weil es für ihn unbedeutend war. Elín fand es toll.
Plötzlich fiel ihr etwas ein. „Sag mal, Ju …“ Sie krabbelte aus der Ecke heraus und klopfte sich den Staub von den Sachen. „Dir ist schon bewusst, dass die Polizei das herausfindet, wenn ein Brandbeschleuniger benutzt wurde?“
Das Poltern aus dem hinteren Bereich verstummte.
„Ich meine, es geht doch hier darum, den Tatort samt Leiche verschwinden zu lassen, oder?“
Er kam mit gerunzelter Stirn aus der Dunkelheit und schien zu überlegen.
„Heißt das, du hast das nicht gewusst? Warte mal, es gibt tatsächlich Dinge, die der weise Thanju nicht bedenkt? Das muss ich erst mal auf mich wirken lassen!“ Sie hielt die Luft an, schloss die Augen und badete mit einem Lächeln auf den Lippen in seinem Unwissen.
„Was schlägst du also vor?“, fragte er unbeeindruckt.
Elín sah ihn an, verschränkte die Hände auf dem Rücken und ging langsam aus der Scheune heraus, musterte die kleine Holzhütte und erinnerte sich mit Mühe an ein paar Folgen der amerikanischen Crime-Serien, die sie früher so gern geschaut hatte. Hinter ihr wurde das Tor wieder geschlossen. Er gesellte sich zu ihr und musterte sie.
„Ich schau mich mal um!“
Damit lief sie los, die Stufen hinauf und inspizierte jeden Raum der dürftigen Behausung. Im Erdgeschoss gab es nur das Bad, eine kleine Küche und das benachbarte Wohnzimmer. Im Giebel versteckte sich ein winziges Schlafzimmer. Die Nachbarhäuser lagen alle mindestens zweihundert Meter entfernt.
Elín betrachtete die Wunde am Hals der Leiche. Natürlich nur aus der Entfernung.
Doch.
Das müsste gehen.
Die Lösung lag auf der Hand.
„Also“, begann sie und ging zurück ins Wohnzimmer, wo Ju gewartet hatte. „Wir haben einen Gasherd, eine Holzhütte und einen Raucher. Was machen wir daraus? Richtig, eine schöne Explosion.“
Er sah sie an, als hätte sie soeben die Relativitätstheorie aufgestellt.
„Lange kein Fernsehen geschaut, wie?“, fragte sie und musste lächeln.
„Das Haus wird einstürzen?“
„Vermutlich. Wenn wir genug Gas einlassen und es sich ordentlich verteilen kann.“
„Was passiert mit der Leiche?“
„Die sitzt auf der Couch und betätigt im falschen Moment das Feuerzeug. Mit einer ordentlichen Druckwelle ist danach nicht mehr viel zu erkennen.“
„Und wer macht das Feuerzeug an?“
Treffer.
„Tja, ein Mutiger?“, schlug sie vor und grinste zaghaft.
Er kniff die Augen zusammen und musterte sie ein paar Sekunden.
„Gut. Machen wir so.“
Götter träumten nicht.
Hatte sie gedacht.
Hatte man ihr erzählt.
Es stimmte nicht.
Jolina träumte wohl zum ersten Mal in ihrem ewigen Leben und war gleichermaßen überrascht,
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