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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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Lippen.
Sie wurde ganz weich in seinen Armen. Er spürte ihren Atem in seinem Gesicht, als sie flüsterte: »Weck mich nicht. Der Alptraum wird zum Traum…«
Umschlungen näherten sie sich dem glänzenden Reiterstandbild mit dem trügerischen Goldschimmer, der durch die Beleuchtung entstand, und ohne sich dessen bewußt zu werden, gingen sie um den Reiter herum. Marias Kopf war an Stets Brust geschmiegt. Das Mädchen atmete gleichmäßig wie im Schlaf. Sie wollte keine Fragen mehr stellen und brauchte keine Antworten, doch er wußte, daß es die Minuten einer toten Zeit waren, in der sich nichts mehr entfalten konnte. Von großer Trauer und Wehmut übermannt, verfiel er in Schweigen.
Als Dim neben ihnen auftauchte, fuhr Stel zusammen, war aber nicht verblüfft.
»Stel, es tut mir leid.«
Das kurze Rohr glänzte in der Hand des Neuankömmlings. »Wer ist das?« fragte Maria beunruhigt. »Was sagt er?« Stel drückte sie noch stärker an seine Brust.
»Hast du mir nicht versprochen, daß du mir keine Fragen mehr stellst? Sprich, Dim.«
»Das ist schon das zweite Mal, Stel, verstehst du? Du hast schon mal versucht, sie zu retten… nun, das erste Mal ist es dir sogar gelungen. Du bist mit ihr auf den Acn 6 geflohen, und ihr seid vor etwa tausend Jahren gelandet… Der Zeitsprung war zu groß, und trotz des Trainings hast du vergessen. Wie konntest du dir einbilden, daß es dir gelingen würde?«
»Nichts habe ich mir eingebildet. Ich habe gehandelt, Dim… Daher kommt mir alles so bekannt vor!«
»Hast du dich also doch daran erinnert?« ereiferte sich der andere. »Alle meinten, daß es ein Ding der Unmöglichkeit ist… Es war doch klar, daß du zusammen mit ihr wieder hierher zurückgebracht würdest. Stel, sie ist verdammt. Niemand kann etwas daran ändern.«
»Der Kreis hat sich geschlossen, nicht wahr?«
»Es bleibt uns nichts anderes übrig, das weißt du genau. Entweder verläßt du sie auf der Stelle, und wir verschwinden zusammen, oder…« Der glitzernde Lauf ragte auf, und Stel erblickte die finstere Öffnung.
»Warum muß sie sterben, Dim? Was würde passieren, wenn sie bei mir bliebe?«
»Sie würde es mitbekommen. Schließlich würde sie Alarm auslösen. Die Änderung der Geschichte würde die erlaubte Grenze überschreiten… Du kennst doch das Gesetz…«
»Ja«, sagte Stel, ließ den Fuß vorschnellen und schlug gegen die Hand, die die Waffe hielt.
Die gleißende Flamme traf den bronzenen Hengst, der sich in ein Chaos von unbeschreiblichen Formen verwandelte. Maria schrie auf, doch die beiden hatten sich ineinander verkeilt, und der glitzernde, bald auf den Himmel, bald aufs Pflaster gerichtete Lauf zitterte unter dem zweifachen Druck der Arme Dims und Stels. Sie begriff nicht, was von dem Augenblick an passiert war, als sie die Tür zur Bibliothek geöffnet hatte, und nun wohnte sie hilflos dem Kampf der beiden Unbekannten bei, die in einer fremden Sprache miteinander geredet hatten und sich nun zu ihren Füßen wälzten. Doch einer der Unbekannten hatte sie geküßt, und sie hatte ihren Kopf an seine Schulter geschmiegt in einer gesteigerten Stille, die sie einander noch näherbrachte, als es durch Worte möglich gewesen wäre. Entsetzt stürzte sie zur Museumstreppe mit dem unklaren Gedanken, den einzigen Menschen in der Nähe, den alten Pförtner, zu Hilfe zu rufen. Sie war schon auf den ersten Stufen, als die lodernde Flamme aus dem gleißenden Lauf sie voll traf, und das Mädchen war nur noch der für immer in den harmlosen Stein geprägte gebrochene Schatten.
Auf dem Platz lösten sich die beiden voneinander und standen keuchend auf.
»Es gab keine andere Lösung«, sagte Dim schuldbewußt.
Stel betrachtete den Fleck, der Marias Umrisse bewahrt hatte, den Schatten, über den hinwegzugehen er sie mit Not und Mühe abgehalten hatte.
»Nein, es gab keine andere Lösung«, wiederholte er mit matter Stimme, die weit entfernt schien, dann schmetterte er seine Faust so unvermittelt auf das Kinn des anderen, daß Dim den Schlag nicht mehr abzuwehren vermochte und auf das Pflaster stürzte.
Stel dachte einen Augenblick lang angestrengt nach. Kein Laut war zu vernehmen. Dann bückte er sich, nahm die Waffe aus der schlaffen Hand des anderen und eilte die Stufen hinauf, wobei er um Marias Schatten einen Bogen machte. Unmittelbar vor der Tür hielt er den silbernen Lauf an das Schloß, machte die Augen zu und drückte ab. Die Tür klaffte schwarz und wuchtig auf. Er stieß sie beiseite, stürzte sich in

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