Lichtspruch nach Tau
das Gebäude, vorbei an der Loge des erstarrten Pförtners, und am Fuß einer der Säulen fand er seinen Tornister wieder, genau dort, wo er ihn liegengelassen hatte. Statt dem Zeiger auf dem Zifferblatt freien Lauf zu lassen, drehte er ihn zurück und fand sich oben im runden Zimmer wieder.
»Maria, Maria, Maria«, sagte er. »Maria!«
Und wieder umfing ihn Freude und Trauer, das Gefühl, daß er etwas wiederfindet und verliert, doch fragte er sich nicht mehr, was.
»Ich glaubte die ganze Zeit, du wärest ein gewöhnlicher Räuber.«
»Jetzt glaubst du es aber nicht mehr.«
»Nein. Du bist etwas Schlimmeres, stimmt’s?«
Worte. Sie waren ausgesprochen worden und konnten nicht mehr zurückgenommen werden, obwohl alles schrecklich geworden war, und seine Gedanken schlugen wie Kugeln aneinander, manchmal geordnet, dann wieder verwirrt und aufs neue gegeneinandergeworfen. Da Maria nicht einmal an die kürzesten Zeitsprünge gewöhnt war, erinnerte sie sich an nichts und sprach die Worte aus, ohne sich darüber im klaren zu sein, daß sie eine Rolle wiederholte, daß alles gewesen war. Stel wußte jedoch, daß ihre Stunden gezählt waren. Er setzte den Tornister ab und stellte den Zeiger fast unbemerkt vor. Der Marktplatz war nun leer, und die Einsamkeit des Reiterstandbildes in der Mitte ließ ihn noch leerer erscheinen. Die Kakteen ragten unförmig auf.
»Nichts«, sagte er und hatte seinen Blick auf den erstarrten Galopp gerichtet. Dabei erinnerte er sich, wie dieser aussehen würde, nicht einen Tag später, sondern bald, viel zu bald.
»Komm… Nein, nicht dort lang!« rief er plötzlich, als er sah, daß sie die Treppe hinuntergehen wollte.
Dort links sollte sich für immer der gebrochene Schatten eines Menschen abzeichnen. Allerdings nicht der Schatten des Pförtners, wie er angenommen hatte. Er biß sich auf die Lippen. Irgendwo mußte ein Spalt sein, es durfte nicht zugelassen werden, daß sich der Kreis schloß. Jetzt hatte er eine Waffe, und sie wußten es. Solange er lebte, sollte auch Maria leben.
»… nur ein Alptraum. Nichts Wirkliches. Dich gibt es nicht, das Museum ist nicht leer, ich bin zu Hause und wache gleich auf…«
»Wach auf!« rief Stel wieder, zog Marias Antlitz an sein Gesicht und drückte seine Lippen auf ihre Lippen.
Wolfram Kober
Persönlichkeit
Als ihm der riesenhafte Bioroid, organomechanischer Abgesandter der Clique der Herrscher des Planeten, gegenüberstand, fühlte er in sich den unstillbaren Wunsch nach eigener, persönlicher Metamorphose zur Maus, zur Mücke, zum Molekül. Klein, verschwindend winzig kam er sich wegen seiner Furcht vor und verfluchte in Gedanken Mallory, der ihn zu dieser Mission auserkoren hatte.
Er hatte es vorausgesehen, ja gewußt, daß er ungeeignet war für einen solchen Auftrag. Seine ängstliche, unterwürfige Natur gab ihm diese Einflüsterungen. Und so wie sie ihm die Zukunft vorhersagte – düster, grau, pessimistisch –, so verhinderte sie zugleich energisches Aufbegehren und Charakterfestigkeit. Sklavisch ergab er sich Mallorys Vorschlag, ihn zu schicken.
Der künstliche Riese vor ihm dröhnte in allen Fugen, als er sprach.
»Du wünschst die Herren zu sehen. Unterwirf dich. Gib das Zeichen deiner Gefügigkeit.«
Er erstarrte; doch nur für Sekunden. Die unverschämte Forderung widerstrebte ihm tief im Inneren seiner Seele. Aber automatisch, an die Befehls-und-Ausführungs-Hierarchie gewöhnt, ließ er sich dann rasch auf den Rücken fallen, die Arme weit von sich gestreckt. Er fühlte sich entsetzlich schutzlos und erniedrigt; nur der Rat Mallorys stärkte ihn und spendete Trost: »Geh vorerst auf alle Forderungen der Clique ein. Wir müssen unter allen Umständen zunächst mit ihnen ins Gespräch kommen, wollen wir den Unterdrückten wirksam helfen. Doch sei energisch und handle nach eigenem Ermessen, wenn der Kontakt kritische Phasen erreicht. Vergiß nicht – wir vertreten eine freie, stolze und mächtige Menschheit.«
Der Bioroid, der auf einem Antischwerkraftfeld schwebte, führte ihn durch die Randsiedlung vor der Metropole. Schmutzige, ausgemergelte, demütige Gestalten warfen sich auf den Rücken, sobald sie der Maschine ansichtig wurden. Auf einem größeren Platz verhielt der Bioroid und stieß einen Signalton aus. Innerhalb weniger Momente säumte sich der Rand des staubigen Rondells mit einem dichten Ring aus Planetenbewohnern.
Interessiert betrachtete er sie.
Das also sind sie, dachte er. Angehörige einer brutal unterdrückten
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