Lichtspruch nach Tau
ausblieb, störte mich das noch nicht. So ärgerte mich der Bordcomputer fast täglich, wenn er beleidigt war, weil ich einen seiner Programmpunkte übergangen hatte.
Ich begann eine Melodie zu pfeifen und absolvierte nach eigenem Takt meine Morgengymnastik. Im Badezimmer wurde mir der Spaß dann zu geschmacklos. Aus der Leitung fiel kein Tropfen Wasser, mein Schimpfen änderte nichts. Dann wurde es kühl in meiner Kabine, und die Beleuchtung trübte sich. Das war der Augenblick, in dem ich einen Verdacht schöpfte. Natürlich glaubte ich da noch nicht an etwas Ernstes. Wer wird denn gleich das Schlimmste befürchten. Aber ich bekam Angst um den Verstand meines Bordcomputers.
Ungewaschen zog ich mich an, eilte zur Tür – und lief dagegen. Die Lichtschranke hatte nicht reagiert. Aus irgendeinem Grund war die Havariesicherung in Aktion getreten.
Nie hatte ich gewußt, wozu ein Raumanzug in der Schlafkabine hing. Jetzt wurde mir das klar. Ohne Skaphander gab es kein Hinauskommen. Die Schlösser funktionierten nur, wenn auf beiden Seiten der Tür die gleichen Druckverhältnisse herrschten. In meiner Kabine atmete ich mühelos…
Schimpfend stieg ich in den Raumanzug. Noch immer hoffte ich auf einen bösen Streich meines Faktotums. Wer weiß, aus welcher Speichereinheit er dieses Programm gezogen hatte: Havarietraining oder ähnlicher Unsinn.
Über ein plombiertes Ventil ließ ich die Luft ausströmen, dann drückte ich vorsichtig gegen die Tür. Das Schloß rastete aus, und ich starrte in den Weltraum. Was sonst mit Ausfüllen von Protokollen und Fragebögen, mit wiederholten Zeremonien der Schleusendurchgänge und Desinfektionen verbunden war, hatte ich jetzt völlig problemlos vor meiner Schlafzimmertür: jederzeit freien Ausgang ins All.
Wenn ich heute so locker darüber schreiben kann, hat das seine Ursache. Als ich aber schwerelos an die Türfüllung geklammert hing, den Kopf in der Kabine, die Beine zwischen den Sternen und das Gefühl des freien Falls im Magen, war mir durchaus nicht nach Scherzen zumute. Unmittelbar an meiner Schwelle endete abrupt die künstliche Gravitation.
Ich hangelte in meine Kabine zurück, schloß die Tür und öffnete das Ventil, um wieder Luft einströmen zu lassen. Vergebens. Der Zeiger blieb ruhig auf Null. Mein Vorrat im Raumanzug reichte für vierzig Minuten, im Havarieschrank standen Flaschen für weitere Füllungen. Mir blieben sechs Stunden.
Neben den Sauerstoffflaschen fand sich ein Seil von ausreichender Länge, dessen eine Öse in den Haken am Gürtel meines Raumanzuges paßte. Das andere Ende klemmte ich behelfsmäßig in der Schranktür ein. So konnte ich meinen Ausflug sicher beginnen.
Der Schritt über die Schwelle war ein Sturz in bodenlose Tiefe, obwohl ich die Öffnung deutlich vor mir sah und ruhig vor der Kabine schwebte. Nur langsam gelang mir die Koordination meiner Sinne. Ich ließ mich vom Raumschiff abtreiben.
Dann sah ich: Meine Schlafkabine hatte sich etwa in der Mitte befunden. Vorn lagen die zentralen Einheiten, Kommandoraum, Laboratorium, Observatorium und die Steuerblöcke des Bordcomputers, hinten der Antriebssektor, die meisten Lagerräume und ein Großteil der Speicherkolonnen des Computers. Anstelle des Hecks sah ich die Sterne leuchten. Eine rätselhafte Kraft hatte die »Galaktik« mitten durchgetrennt. Wenige Zentimeter weiter, und ich hätte nie davon erfahren. So aber war ich zwischen Aufwachen und Morgenkaffee vor das Problem gestellt worden, mir mein weiteres Leben in einem Wrack einrichten zu müssen, zehn Lichtjahre von der Erde entfernt, antriebslos in einem abgelegenen Raumsektor.
Mein Verstand weigerte sich, den Fakt anzuerkennen. Mir war, als ginge mich das alles gar nichts an, beträfe einen Fremden. Es konnte nicht wahr sein, durfte nicht. Zwei Jahre Einsamkeit in einem Raumschiff – und dann zerstörte ein fast unwahrscheinlicher Zufall alle meine Hoffnungen.
Verzweiflung übermannte mich. Ich kam mir elend und verlassen vor.
Ich schloß die Augen, bis ich farbige Blitze sah, dann blickte ich erneut hin. Aber es gab keinen Zweifel: Ich hatte ein Wrack vor mir.
2
Schon eine Stunde später erlitt ich den zweiten Schock.
Ich war in meine Kabine zurückgeklettert, hatte mich mit frischem Sauerstoff versorgt und versucht, zu den unversehrt gebliebenen Räumen vorzudringen. Die Gangmündung lag vor mir wie das Mundloch eines Stollens. Ich brauchte nur hineinzuschweben. Bis zur ersten Havarietür gelang mir das auch ohne
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