Liebe auf Arabisch
Sie gebot uns Stille und rührte sich nicht mehr, sie bekam riesige Augen und murmelte immer wieder: Ya Allah! Man hätte meinen können, sie
wäre jeden Moment in ein Loblied ausgebrochen, doch stattdessen rief sie:
»Hoffentlich läuft so eine Granate niemals meinem Mann über den Weg!«
»Keine Sorge. Diese Sorte Frau hat ein anderes Beuteschema, die braucht das Doppelte von dem, was dein Herzbube verdient. Die sucht sich einen Prinzen oder einen TV-Magnaten, einen Talal zum Beispiel, einen Maktoum oder eine andere Finanzgröße vom Golf.«
»Man kann nie wissen«, flüsterte Soha mit abwesendem Blick.
»Hab doch ein wenig Vertrauen in deinen Ehemann«, sagte Joumana. »Wenn du ständig Angst davor hast, betrogen zu werden, wird Omar es merken und unbewusst anfangen zu jagen. Willst du denn, dass er sich eine Zweitfrau anlacht?«
»Gott schütze mich davor! Sag doch so etwas nicht«, rief Soha mit Tränen in den Augen.
An diesem Tag sah sie mich an und fügte hinzu:
»In der Zwischenzeit versuche ich das Schlimmste zu verhindern und lasse mir den Hintern machen. Leïla, kannst du mir den Gefallen tun, dich bei deinen Zwischenlandungen nach guten Chirurgen zu erkundigen?«
Da in diesem Juli eine trockene Hitze herrschte, schlug ich Soha vor, doch lieber schwimmen zu gehen als sich unters Messer zu legen, das Wasser und die Sonne würden ihr eine gesunde Bräune geben und ihren Körper straffen. Vergebene Liebesmüh. Meinen Freundinnen von den Vorzügen eines gebräunten Körpers vorzuschwärmen, war reine Zeitverschwendung, da sie die Sonne als schlimmste Feindin der Schönheit betrachteten, deren erste Voraussetzung die helle Haut war.
Joumana hätte sich vielleicht für meinen Vorschlag erwärmen
können und uns an einen dieser Privatstrände gebracht, der nur für Frauen derselben Familie zugänglich ist. Doch Joumana litt unter einem Lupus, der es ihr verbot, sich allzu starker Sonnenstrahlung auszusetzen, geschweige denn auch nur den kleinen Finger in einen Pool zu halten. Das Ergebnis: Wir vergnügten uns fast nie am Strand und das einzige Mittel, uns ein wenig zu erfrischen, war die Klimaanlage, ohne die Saudi-Arabien die Hölle auf Erden wäre.
Doch in diesem Sommer 2003 hatten wir noch eine andere Beschäftigung: Im Fernsehen verfolgten wir den Einfall der Amerikaner in den Irak. Man darf nicht denken, dass die saudischen Frauen gleichgültig gegenüber Glück und Unglück der Araber sind. Sie informieren sich darüber, was in der Welt passiert und gerade Joumana kennt das aktuelle Tagesgeschehen wie keine andere. Sie spricht über den wirtschaftlichen Aufschwung in China, über Unstimmigkeiten innerhalb der EU, über Ingrid Betancourt, die sie »die Geisel, die nicht mitmacht« nennt oder über die Ozonschicht. Doch mehr als alles andere interessierte sie heute der Irak, der auf die eine oder andere Art die Aufmerksamkeit all meiner Freundinnen auf sich zog.
Wir verfolgten also die Treibjagd auf Saddam Hussein, die voll in Gang kam, nachdem er die Welle der amerikanischen Angriffe überlebt hatte. Die arabische Welt konzentrierte sich ganz auf die Figur des Raïs, der plötzlich sämtliche Herzen höher schlagen ließ, da er der westlichen Welt die Stirn bot. Nur Joumana machte ihn für das Drama verantwortlich, das sich in seinem Land abspielte. Sie traute sich jedoch nicht mehr, dies auszusprechen, seit Soha angedroht hatte, den Raum zu verlassen, wenn sie den König von Bagdad noch ein einziges Mal als Diktator bezeichnen würde.
Joumana ließ uns die Freiheit, die Amerikaner zu verfluchen und die Ungerechtigkeit des Westens zu beklagen. Einmal jedoch, als wir schon seit Tagen förmlich am Bildschirm klebten und durch den Irakkrieg unsere persönlichen Sorgen keine Rolle mehr spielten, hatte sie sich lauthals aufgeregt:
»Ihr verfolgt die makaberste TV-Serie überhaupt und beschwert euch noch, angeblich zu den Opfern zu gehören. Mein Feind sind nicht die Amerikaner, sondern Saddams Gaunertruppe. Mein Henker ist nicht der GI, sind nicht die Juden, sondern meine eigenen Brüder!«
Bei diesem Ausbruch fühlte selbst ich mich etwas unwohl in meiner Haut und zweifelte am arabischen Blut meiner Freundin.
Ausschließlich Iqbals Liebschaft lenkte uns in diesen Tagen vom Krieg ab. Ungeduldig wartete ich auf einen Bericht über ihr Treffen mit Samih. Zunächst weigerte Farah sich davon zu erzählen und verwies auf die erbotene Diskretion in dieser geheimen Sache. Soha und ich bohrten immer
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