Liebe auf Dauer
aussehen? Was wäre mein Teil, den ich dabei übernehmen könnte?
Auch beim kooperativen Umgang mit Problemen des Partners gilt eine Regel, der wir schon mehrmals begegnet sind: Er muss wechselseitig sein. Gegenseitigkeit ist auch hier die Devise. Wenn immer nur einer sich bemüht, die Probleme des Partners auch zu seinen zu machen, wird es mit der Zeit ein Ausbeutungsverhältnis. Das sagt nichts dagegen, dass die Partner in dieser Hinsicht – was Einfühlung, kritische Selbstreflexion, was den möglichen eigenen Anteil und die Solidarität mit dem Partner in schwierigen Zeiten angeht und so weiter – verschieden begabt sein können und solches dem einen leichter fällt als dem anderen. Aber wenn sich der weniger »Begabte« hier gar nicht auf den anderen zu bewegt, wird der sich auf die Dauer ausgebeutet erleben, und seine Liebe wird erkalten.
Zum Schluss eine häufige Erfahrung: Paare, die ihre Probleme als gemeinsame sehen, gemeinsam angehen und miteinander lösen oder auch miteinander tragen, wenn sie nicht zu lösen sind, erschließen sich gerade damit ein großes Wachstumspotenzial ihrer Liebe. Es gibt kaum etwas, das die Liebe zueinander mehr stärkt und festigt als dieser Weg (Jellouschek 2002c).
9 Nehmen Sie Krisen als Entwicklungschancen
Die Kunst, Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen
Krisen sind unausweichlich
Jede Paarbeziehung gerät in Krisen. Das wünscht sich niemand, es ist aber unausweichlich. Krisen sind sogar notwendig und lebenswichtig für lebende Systeme, zu denen wir Paarbeziehungen ja auch rechnen. Warum das denn? Alles Lebendige ist in Entwicklung, das heißt es verändert sich, und es muss sich verändern, um zu überleben und sich zu entfalten. Andererseits will alles Lebendige »es selbst bleiben«, es will seine Identität behalten. Wird dieses Bedürfnis aber zu stark betont, droht Erstarrung. Wird die andere Seite, die Tendenz zur Veränderung, zu stark betont, droht Auflösung. In dieser Spannung steht alles Lebendige: Es strebt Stabilität an, um es selbst zu bleiben, aber es muss die Stabilität auch immer wieder aufgeben und Wandlungsprozesse riskieren, um nicht in Erstarrung zu geraten.
So ist es auch im Leben von Paaren. Bestimmte Phasen, die durchlaufen werden müssen, und die Übergänge von der einen in die nächste sorgen hier dafür, dass die Stabilitätnicht zur Erstarrung wird. Dennoch, weil wir Stabilität auch anstreben und brauchen, erleben wir diese Übergänge als Krisen: Zwei Menschen raufen sich – am Anfang ihrer Beziehung – zu einer relativ stabilen Form gemeinsamen Lebens zusammen. Dann aber verspüren sie den Wunsch nach einem Kind. Der kleine Erdenbürger bringt die bisherige Stabilität des Paares durcheinander. Die beiden müssen ihr Leben vollständig umorganisieren. Liebgewordene Gewohnheiten, zum Beispiel der spontane Kneipenbesuch am Abend, müssen aufgegeben, neue Abläufe, zum Beispiel wer nachts aufsteht und sich um das weinende Kind kümmert, müssen eingeübt werden, und noch vieles mehr. Auch wenn die Geburt des Kindes durchaus als freudiges Ereignis erlebt wird, stellt sie dennoch ein kritisches Lebensereignis dar, das zu seiner Bewältigung einiges an Geschick und Energie braucht, damit es gut weitergehen kann und das Paar wieder eine neue Stabilität miteinander findet, in der das Kind seinen Platz hat, aber auch die Beziehung wieder zu ihrem Recht kommt. Ähnlich ist es auch mit weiteren Lebensübergängen: wenn das Kind oder die Kinder in die Schule kommen, wenn das letzte Kind aus dem Haus geht, wenn das Paar in die zweite Lebenshälfte eintritt, wenn der Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand ansteht und Ähnliches mehr. Immer muss ein altes – manchmal gutes, manchmal auch ungutes – Gleichgewicht aufgegeben werden, die Partner müssen sich auf einen Weg begeben und auf die Suche nach einem neuen Gleichgewicht (Jellouschek 2004, S. 135–156).
Vorhersehbare und unvorhersehbare kritische Lebensereignisse
Krisen dieser Art, die durch vorhersehbare kritische Lebensereignisse ausgelöst werden, sind in gewissem Sinn notwendig, damit die beharrenden Kräfte nicht überhandnehmen, damit Neues möglich wird. »Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise/Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen«, sagt Hermann Hesse (1970, S. 119) in seinem Gedicht »Stufen«. Dennoch ist es häufig nicht ganz einfach für die Partner, »heiter Raum um Raum (zu) durchschreiten« und »an keinem wie an einer Heimat (zu) hängen«, wie
Weitere Kostenlose Bücher