Liebe auf den ersten Klick
ein und mache mich an die Pfannen. Jetzt sieht sie ihn direkt an, während auf der Skizze das Abbild der Schönheit entsteht, die sie einst war. Eine Pfanne rutscht klappernd vom Abtropfgitter. Beide Köpfe fahren herum.
»Hey, besteht die Möglichkeit, was zu trinken zu kriegen?«, ruft Max mir über die Schulter hinweg zu.
»Im Kühlschrank steht eine Flasche Weißwein, Schatz«, flötet Nana.
Ich nehme die Flasche und ein paar Gläser und trage alles nach draußen. Mein Blick fällt auf eine der Skizzen, deren flüchtige Linien Nana exakt so zeigen, wie sie ist. »Die sind toll.«
»Ich hoffe, er macht mich schön.«
»Ich kann nur zeichnen, was ich sehe«, erklärt Max, wirft seinen Bleistift beiseite und schenkt den Wein ein.
»Und aus einem Ackergaul macht man kein Rennpferd«, fügt Nana grinsend hinzu.
Anstelle eines Desserts gibt es Käse. Nana stellt ein Brett mit Brie auf den Tisch, schneidet sich ein großes Stück ab, kratzt den auslaufenden Teil mit dem Messer zusammen und knabbert an der Rinde. In letzter Zeit scheint sie so zufrieden mit sich und dem Rest der Welt zu sein. Ich wende mein Gesicht dem Himmel zu und lausche mit geschlossenen Augen ihrem Geplauder. Sie unterhalten sich über ihre Urlaubspläne.
»… und dann kamen wir auf Santander. Reg war noch nie dort.«
»Ich liebe die Nordküste«, bestätigt Max.
»Sagtest du gerade, Reg sei noch nie dort gewesen?«, frage ich, noch immer mit geschlossenen Augen.
»Ja.«
»Das heißt, ihr beide fahrt zusammen in den Urlaub?« Ich setze mich auf.
»Na ja, das hatten wir vor.«
Seufzend lasse ich mich wieder zurücksinken.
»Ist das ein Problem für dich, Viv?«
Ich öffne kurz ein Auge, schließe es aber sofort wieder. »Nein, nein, gar nicht. Ich finde nur … na ja, mir kommt es so vor, als wäre Opa noch nicht so lange tot … nicht lange genug, um sich mit einem anderen Mann zu amüsieren.«
»Zwei Jahre, Viv. Und zwei Jahre sind eine lange Zeit, wenn man einsam ist.«
»Hm, vielleicht liegt es ja an mir. Er fehlt mir eben immer noch so sehr, das ist alles.«
»Mir auch. Aber ich lebe noch, und solange das der Fall ist, will ich verflixt noch mal das Beste daraus machen!« Sie steht auf, nimmt ein paar Teller und geht ins Haus. Ich höre das Schnippen des Feuerzeugs.
Max stößt eine Rauchwolke aus. »Oje.«
»Was denn?«
»Sieht so aus, als hättest du sie gekränkt.«
»Ach ja? Diese Geschichte mit Reg ist doch absolut lächerlich.« Ich starre ihn funkelnd an. »Sie hat sogar mit ihm geflirtet, als Opa noch gelebt hat.« Max’ Miene ist ruhig und gelassen. Ich spähe in die Küche, doch von Nana ist nichts zu sehen. »Soweit ich weiß, haben sie kurz nach der Beerdigung angefangen, sich regelmäßig zu treffen.« Ich setze mich auf. »Und sie hat nie etwas gesagt. Offiziell, meine ich.«
»Wieso wohl?«
»Weil sie ein schlechtes Gewissen hat!«
»Oder weil sie dir nicht wehtun will.«
»Mit mir hat das überhaupt nichts zu tun.«
»Allerdings.« Er lächelt.
Wütend wende ich mich ab und starre in den Garten hinaus. Ein dumpfes Pochen macht sich hinter meinen Schläfen bemerkbar. Weshalb sollte es mir etwas ausmachen, wenn Nana und Reg ein bisschen Zeit miteinander verbringen? Ich will doch nur, dass sie glücklich ist. Trotzdem fühle ich mich auf eine Art und Weise verraten, die ich schwer beschreiben kann. Max würde es sowieso nie verstehen: Seine Eltern sind putzmunter und immer noch verheiratet; er hat vier durchgeknallte Schwestern und Hunderte Nichten und Neffen, die alle mit einer solchen Affenliebe an ihm hängen, dass er sich kaum traut, nach Hause zu fahren. Meine Familiengeschichte ist hingegen ein zerbrechliches Glashäuschen, auf das Reg gerade mit einem Hammer losgeht.
Ich horche in mich hinein und versuche angestrengt, in mein Innerstes vorzudringen, doch gerade als ich glaube, eine Erklärung greifen zu können, verflüchtigt sich der Gedanke und entzieht sich meinem Zugriff. Schließlich gebe ich es auf und gehe in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. Nana räumt gerade die Teller in den Schrank. Ich sehe, dass ihre Hände zittern, als sie sich nach dem obersten Regal streckt.
»Brauchst du Hilfe?«
»Nein, bin gleich fertig.«
Betreten stehe ich neben ihr, während sie das restliche Geschirr einräumt. Dann schließt sie die Vitrine und wendet sich mir mit einem erschöpften Seufzer zu. Ich sehe das Verständnis in ihren blauen Augen, als sie meine Hand nimmt und sie
Weitere Kostenlose Bücher