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Liebe auf den letzten Blick

Liebe auf den letzten Blick

Titel: Liebe auf den letzten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Beck
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ich Fred, wie er Luis jedes Glas einzeln zum Tisch tragen lässt.
    Ich stelle Saft und eine Flasche Wasser dazu. Luis darf für alle einschenken, was nicht ohne Pfützen abläuft. Als er ein Glas beinahe umkippt, versucht Irma, mit einem schnellen Griff das Schlimmste zu verhindern, wobei sie es endgültig umstößt.
    »Scheiße«, entfährt es ihr.
    »Das ist ein Bähwort«, rügt Luis sie. »Das darfst du nicht sagen.«
    »’tschuldigung«, antwortet Irma.
    Sophie kramt in ihrer Handtasche. Ich eile zur Anrichte. Doch als ich mit der Küchenkrepprolle an den Tisch komme, war Fred schneller. Mit einem Stofftaschentuch hat er die größte Pfütze aufgewischt, bevor sie auf den Fußboden getropft ist.
    Ich erledige den Rest und strecke Fred die Hand hin: »Gib mir das Taschentuch. Ich lege es in die Wäsche. So tropfnass kannst du es ja nicht einstecken.«
    »Stimmt!« Schmunzelnd legt er mir das nasse Tuch in die Hand und blickt mir in die Augen. »Ich mag praktische Frauen.«
    Erneut überläuft mich eine Hitzewelle, und weil mir nichts Besseres einfällt, grinse ich nur hilflos.
    Die nächsten drei Minuten verstreichen ohne Katastrophe und ohne Geschrei. Luis schlürft vergnügt seinen Saft mit einem Strohhalm, den ich im Küchenschrank gefunden habe. Nora umklammert die Ente, während sie von Sophie ein Fläschchen mit Tee bekommt. Irma hat sich zum Rauchen auf die Terrasse verzogen.
    Ich habe mich einigermaßen beruhigt und würde gern mehr über Fred erfahren. »Und ihr unterrichtet an derselben Schule?«, frage ich im Plauderton.
    »Ja, an den privaten Nymphenburger Schulen, staatlich anerkanntes, neusprachliches, mathematisch-naturwissenschaftliches und humanistisches Gymnasium und Realschule«, spult Sophie hastig herunter, als wäre sie bei einem Vorstellungsgespräch. »Und wie ich dir ja schon erzählte, unterrichte ich Kunst an der Realschule.«
    Fred nickt wortlos, mit freundlicher Miene.
    Ob sie tatsächlich nur Kollegen sind?
    »Weshalb dachte Irma eigentlich, dass wir die neuen Mieter wären?«, wechselt Sophie das Thema.
    Seltsam. Warum interessiert sie das? Aber ich will nicht unhöflich sein. So unaufgeregt wie möglich berichte ich von der veränderten Situation. Die Wahrheitüber den Halsabschneider-Mietvertrag und meine ausweglose Finanzlage verschweige ich lieber. Um so diffizile Details preiszugeben, kenne ich Sophie nicht gut genug, und vor Fred wäre es mir peinlich.
    »Aber ihr seid doch erst vor einem Monat eingezogen. Schade, dass ihr euch so schnell wieder trennt«, bedauert Sophie, während sie ihrer Tochter den Mund abwischt. »Ich würde im Alter auch viel lieber in einer WG leben, als in einem Heim zu versauern.«
    Luis’ lautstarkes Schlürfen verstummt, und er blickt mich an. »Matinde, ich muss Pipi.«
    Fred erhebt sich unaufgefordert. »Na, dann los, Kumpel.«
    »Nach rechts, die zweite Tür«, erkläre ich und wende mich wieder Sophie zu. »Es ist nicht das Aus für die WG. Sobald ich drei sympathische Mitbewohner gefunden habe, starte ich den nächsten Versuch.«
    »Huhuuu! Jemand zu Hause?«
    Amelie. Unverkennbar. »In der Küche«, rufe ich.
    Sekunden später wirbelt sie im Blümchenkleid herein. Gustl folgt ihr, feingemacht im dunkelblauen Zwirn mit weißem Hemd und blau-weiß-getupfter Krawatte.
    »Besuch, wie schön!« Amelie strahlt begeistert. »Sollen wir ein Fläschchen öffnen?«
    In dem Moment betritt Irma die Küche. »Ah, das Verräter-Pärchen!«
    Amelie dreht sich auf dem Absatz herum. »Bitte?«
    Gustl verabschiedet sich mit gesenktem Kopf. »Ihr entschuldigt mich, will mir was Bequemeres anziehen.«
    »Wie könnt ihr Mathilde das bloß antun?«, poltert Irma los und rückt Amelie auf die Blumen-Pelle. »Erst bekniest du uns alle, mit dir in eine WG zu ziehen, und dann …«
    »Das sagt die Richtige«, unterbricht Amelie sie nicht weniger lautstark, stemmt kampfeslustig die Fäuste in die Taille und schnauft wütend: »Täusche ich mich, oder bist
du
zuerst ausgezogen? Du, du … Ratte!«
    Irma schluckt ob dieser schnöden Beschimpfung sichtlich schwer. Dann funkelt sie Amelie zornig an. »Selber Ratte!«
    »Hört sofort auf«, rufe ich die beiden Kampfhennen zur Ordnung. »Wir haben Gäste. Und die kleine Nora guckt auch schon ganz irritiert.«
    Das stimmt zwar nicht – das Baby sitzt ganz ruhig auf Sophies Schoß und klopft vergnügt mit der Ente auf den Tisch, als wolle sie den Takt vorgeben –, aber irgendwie muss ich die beiden zum Schweigen bringen.

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