Liebe auf eigene Gefahr Roman
Handtasche nach den Augentropfen. Beim Eintropfen der Flüssigkeit muss ich blinzeln und verspritze sie auf meine Wange. »Du hast ja recht. Er nimmt immer noch Antidepressiva, oder?«
Sie beruhigt mich mit einem Nicken, während sie uns durch die frisch geräumten Seitenstraßen manövriert und
dabei an jedem einzelnen Stoppschild anhält. »Es ist ja nicht so, als hätte er es in der Bibliothek nicht versucht. Ich sage dir, die Leute in dieser Stadt … Erst stellen sie einen ein, damit man etwas verändert, und dann verhindern sie es.«
»Es sei denn, man will ein Curves -Studio aufmachen.«
»Ja, dann empfangen sie einen mit offenen Schwabbelarmen. Hast du immer noch diese Augenprobleme?«
»Nur, wenn ich müde bin.« Und gestresst. Ich wische das Kondenswasser vom Fenster und linse durch die nassen Streifen, die die Wolle darauf hinterlässt, während wir aus dem Tal in ein Lichtermeer hinausfahren. »Wow, ist das vollgebaut. Es ist alles so …«
»Überdimensioniert. Bunt. Das Ende unserer Zivilisation herausposaunend.«
»Ich wollte eigentlich ›viel‹ sagen.«
Stockend umrunden wir einige Male den footballstadiongroßen Parkplatz, auf dem ein salzverkrustetes Meer von Fahrzeugen jeden Zentimeter des Asphalts einnimmt. Während ich auf der Innenseite meiner Lippe herumkaue, halte ich vergeblich nach einer Lücke Ausschau.
»Vergiss es!« Sie fährt auf den schneebedeckten Randstreifen, der den Parkplatz umfasst, und zieht den Schlüssel aus dem Zündschloss, während ich den Hals recke und berechne, wie viele hundert Meter dieser gefrorenen Autotundra wir bis zum nächsten Eingang durchqueren müssen. Aber sie hat sich schon die Handtasche über die Schulter gehängt, steigt aus und schlägt die Tür zu. Als ich gegen den Wind anrenne und nach ihrem Arm greife, drückt sie meinen Fausthandschuh mit ihrem Ellenbogen, und gemeinsam treten wir mit gesenkten Köpfen unseren Gewaltmarsch an.
»Sie hat gesagt, sie warten im Food Court!«, rufe ich über die Schulter, als wir um die Ecke ins geschäftige Atrium biegen, wo die bequem gewordene Feiertagsmeute hungrig Schlange
steht. »Da!« Ich zeige auf einen Tisch am anderen Ende des Raums, wo Laura und ihre Söhne zusammen Hamburger essen. Während wir uns zu ihnen durchkämpfen, sehe ich sie lachen und fühle kurzzeitig einen Stich der Eifersucht und Ehrfurcht. Werde ich bei der Hochzeit der Jungs immer noch denken: »O Gott, hat Laura die wirklich selbst zustandegebracht?« Oder schlimmer noch, werde ich dann immer noch die unverheiratete Tante sein, die dreihundert Patenkinder hat, weil alle Mitleid mit ihr haben? Laura strahlt mir entgegen, als ich die Hand hebe und winke.
»Tante K, mein Hund hat gekotzt! Ich esse einen Cheeseburger mit Pommes!« Mick ist auf seinen Stuhl geklettert, um diese beiden Neuigkeiten mit gleicher Betonung über das Bossa-Nova-Geplärre des Karussells hinweg zu verkünden. Lachend stellt Laura ihren Joghurt ab, während Mick seine zwanzig Kilo in meine Arme stürzt. »Du bist nass.« Nachdem er seine kleine Hand an meine Wange gelegt hat, zieht er sie wieder weg, um sie zu inspizieren. Ich stelle seine Füße zurück auf den Kunstledersitz.
»Claire wollte, dass wir uns ein wenig bewegen.« Mit einer McDonalds-Serviette wische ich mir den geschmolzenen Schnee ab, während Mom sich den Mantel aufreißt. Dann nehme ich Keith hoch und verwuschle ihm mit dem Kinn die Ponyfransen.
Er wackelt mit seinen blauen Mini-Moonboots, damit ich sie bewundern kann. »Deine sind braun.«
»Hübsches Outfit«, begutachtet Laura grinsend mein geborgtes Lands’ End-Ensemble und steht auf, um die Arme um uns beide zu schlingen.
» Mommy! Du zerquetschst mich! «, protestiert Keith.
»Katie Hollis in der Croton Mall – und das ohne falsche Nase!« Sie lacht mir ins Ohr. »Schau dich an, wie tapfer du bist!«
»Schau dich an«, murmele ich und lehne mich zurück, um
mit den Händen über ihren runden Bauch zu streichen. Da ist er wieder, dieser Stich. »Du siehst wunderschön aus.«
»Bis auf die Zahnspange, ich mache eine zweite Pubertät durch. Na, eigentlich schon die dritte. Hast du eine Ahnung, wie es ist, mit dreißig noch Clearasil zu kaufen?« Sie setzt Keith wieder auf seinen Platz und befeuchtet mit der Zunge eine Serviette, um ihm den Ketchup-Ring vom Mund zu wischen.
»Du strahlst geradezu, Laura«, besteht Mom auf dem Kompliment und hilft ihr, den Fastfood-Müll zusammenzuräumen. »Die Schwangerschaft steht dir
Weitere Kostenlose Bücher