Liebe auf eigene Gefahr Roman
dazu. Was für ein Oberteil?«
»Hier ist es jedenfalls nicht; zu Hause muss es irgendwas Passendes geben.«
»Wunderbar. Komm schon, wir haben sechs Minuten für das Make-up. Du rennst zu Lancôme, und ich bezahle das hier. Na los!«
Als wir in unterschiedliche Richtungen aufbrechen, wirble ich noch einmal herum. »Laura …«
Sie dreht sich um, und ihre blauen Augen wandern über mein Gesicht. Alles, was ich zustande bringe, ist ein dämliches Lächeln, während meine Augen plötzlich feucht sind. »Ich weiß«, sagt sie sanft. »Ich dich auch.«
»Sam und du, ihr habt eure eigene Wut auf ihn, dem ordne ich mich voll und ganz unter.«
Ihr Gesichtsausdruck verdüstert sich. »Weißt du, dass sein Label gerade von Bertlesbrink übernommen wurde?« Ich nicke. »Na ja, und die haben uns eine Unterlassungsanordnung zukommen lassen. Sie haben – ich zitiere – aggressive rechtliche Schritte angedroht, wenn wir die Sache nicht fallen lassen. Wir haben den Brief am Montag bekommen. Fröhliche Schweißweihnachten, sage ich da nur.«
»O Gott, und was wollt ihr jetzt tun?«
Sie schüttelt den Kopf und umschlingt ihren Bauch mit den Händen. »Sam sagt, wir können es uns nicht länger leisten, Geld in die Sache zu pumpen.«
»Und du?« Mein Blick fällt auf die leichte Erschütterung unter ihrer Hand.
»Ich saß da in diesem Scheißkeller«, sagt sie mit vor Wut angespanntem Gesicht, »direkt neben dir, während mein Mann die Melodie für den längsten Nummer-eins-Hit der Neunziger schrieb. Deshalb kann ich nicht einfach aufgeben, ich kann nicht – wenn wir aufhören, wäre das so, als würden wir sagen, dass es in Ordnung ist, was er getan hat.« Sie schließt die Augen und atmet tief durch. »Ich darf mich nicht so aufregen.« Voller Mitgefühl drücke ich ihren Arm, und ihre Augen öffnen sich. »Wenn es dir also gelingt, Mister Rockstar-Riesenarsch auch nur ein ganz klein wenig den Abend zu verderben, ist das für mich schon ein voller Erfolg. Okay?« Ich nicke. »Aber mit diesem Aussehen wird das nichts.«
»Stimmt.« Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar. »Ich hab dich lieb.«
Sie lächelt scheu, und ihre Wangen laufen rot an, ihr skandinavischer Teil ist von meiner Erklärung peinlich berührt. »Mist, dafür habe ich im Moment einfach zu viele Hormone. Geh schon!«
»Okay!«
»Ich mein’s ernst«, sagt sie und winkt mich fort. »Du trittst ihm für uns alle in den Hintern. Und ich will nicht, dass du dabei verquollene Augen hast.«
ACHTES KAPITEL
NEUNTE KLASSE
»Sam, du bist so ein Spasti«, erklärt Jennifer-zwei gelangweilt, als Sam die Tür unseres Minivans zuschiebt und dabei seine Windjacke einklemmt.
Mein Blick schießt zur Rücklehne des Fahrersitzes, aber ihre Entgleisung ist nicht zu Dads gutem Ohr durchgedrungen, das aufs Armaturenbrett ausgerichtet ist. Zum Glück ist National Public Radio faszinierender als ein Haufen Vierzehnjähriger. Dass wir uns eine monotone Debatte über Nicaragua anhören und nicht meine neue Guns N’Roses-Kassette, war eine heftig verhandelte Bedingung dafür, dass er bei unserer Gruppenverabredung den Chauffeur spielt. Abschließender Kompromiss: das blanke Elend, allerdings nur auf den vorderen Lautsprechern.
»Schaffen wir es bis zum Film um Viertel vor drei?«, frage ich über den von Sam veranstalteten Lärm hinweg, der die schwere Tür auf- und zuschiebt, ohne den Alarmton zum Verstummen zu bringen.
»Nimm die Jacke raus, Sam, und dann versuch’s noch einmal!« Dad dreht sich nach hinten, um Anweisungen zu geben.
»Katie, ich hab’s dir doch schon gesagt.« Jennifer-zwei trägt auf dem Rücksitz eine weitere Schicht ihres Black-Honey-Lipgloss von Clinique auf, obwohl die erste Schicht bereits in dunkelroten Brocken von ihren Lippen bröselt. Die Tatsache, dass sie sich diesen Sommer einen Rettungsschwimmerstuhl mit Kristi geteilt hat, hat ihre zickige Art verdoppelt, so als müsste sie von ihrem neuen Status rasch
Gebrauch machen, bevor er genauso verblasst wie ihre Sonnenbräune. Nicht, dass Laura und ich nicht auch davon profitieren würden, es hat immerhin zu dieser Verabredung geführt. Aber wir bilden uns wenigstens nichts darauf ein. »Wenn wir es nicht zu Indiana Jones schaffen, nehmen wir eben Friedhof der Kuscheltiere um drei. Also sei kein Spasti.« Diesmal ist sie so laut, dass Dad im Rückspiegel meinen Blick sucht und mit geblähten Nasenflügeln zum Ausdruck bringt, dass er den jugendlichen Missbrauch dieses Ausdrucks in keiner
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