Liebe auf eigene Gefahr Roman
eine Kassette hoch.
»Das ist nicht meine.« Auf meine hat mein Freund eine Echse gemalt.
»Oh.« Sie hält das cremefarbene Plastik ans grüne Licht des Radios. »Ach, du meine Güte, A Chorus Line . Weißt du noch, wie verrückt du danach warst?« Ich versteife mich. Obwohl es in den letzten drei Monaten schon viel besser geworden ist – Dads Auszug ließ mir keine andere Wahl -, kann ich immer noch nicht mit ihr in gemeinsamen Erinnerungen schwelgen. Nachdem sie die Kassette eingelegt hat, dreht sie die Lautstärke auf und trällert lächelnd mit: » I really need this job . Die habe ich gekauft, als ich mich für meine erste Lehrerstelle beworben habe. Sie hat mir geholfen, am Ende meines Studiums nicht den Mut zu verlieren. Burlington hat mich drei Monate warten lassen, weißt du.« Sie nimmt ihre Schildpattkämme aus dem Haar und steckt sie wieder fest.
»Das wusste ich nicht.«
»Es war furchtbar. Aber du saßest immer auf dem Rücksitz und hast dir mit mir deine kleine Seele aus dem Leib gesungen.« Aus den Augenwinkeln sehe ich sie lächeln. »Es war toll. Du warst toll.«
»Danke.«
»Warst du wirklich, Katie.« Ich spüre, wie sie prüfend mein Gesicht betrachtet, sehe ihre Tränen in der Beleuchtung des Armaturenbretts glitzern, bevor sie sich in ihren Sitz zurücksinken lässt. Ich stelle die Kassette lauter, und die Worte fallen
mir wieder ein – aber es wird immer schwerer, mich an Zeiten zu erinnern, in denen ich nichts weiter tun musste, als vom Rücksitz aus ein Liedchen zu schmettern.
»Und wir laufen weiter … und weiter …« Zum dritten Mal in drei Tagen schlurfen wir pflichtbewusst einer Gruppe aus hoffnungsvollen Bewerbern im vorletzten Highschool-Jahr, bereits angenommenen Bewerbern im letzten Highschool-Jahr und potenziell zahlenden Eltern hinterher. Die dritte erschreckend temperamentvolle Blondine schreitet dreist rückwärts über die dritte Grünfläche. »… und bleiben stehen!« Beim Anhalten treten wir uns gegenseitig auf Fersen und Zehen. »Das hier ist das Hauptgebäude der Rodin-Universität, auch bekannt als Harte Center, nach James Harte, der von 1817 bis 1842 Rektor des Colleges war. Wir bezeichnen dieses Gebäude gerne als Herz der Universität oder als vena cava , wenn man so will – als Hauptschlagader, wer hat’s verstanden?« Die Eltern der Bewerber versuchen es mit einem Lachen, für den Fall, dass sie heimlich danach beurteilt werden, wie sehr sie unserer Führerin das Gefühl geben, amüsant zu sein. Aber der Rest meiner Kohorte hat offensichtlich nicht vor, Medizin zu studieren, und verzieht genau wie ich keine Miene.
»Okay! Weiter geht’s!« Stacey stürmt rückwärts, und wir folgen ihr wie ein unbeholfener Schwarm Fische. Mom verzieht das Gesicht und bleibt stehen, um sich mit den Zehen die Ferse ihrer neuen hellbraunen Pumps herunterzuklappen.
»Wir hätten genauso gut gemütlich zu Hause bleiben und uns die Videos anschauen können«, rufe ich ihr ins Gedächtnis. »Wenn du dir einen neuen Videorekorder gekauft hättest, als Dad den alten mitgenommen hat.«
»Aber dann hättest du nicht die Chance, Staceys Freundin zu werden.« Mit einem Lächeln bedeutet ihr Mom, dass wir gleich kommen, und schiebt mich weiter.
»Kaufst du dir überhaupt irgendwann einen neuen?« Ich wende den Blick nicht von unserer Führerin ab, denn eigentlich geht es mir gar nicht um den Videorekorder.
»Ich denke schon. Warum läuft hier eigentlich niemand draußen herum?«, fragt sie kameradschaftlich und lenkt wieder einmal vom Thema der drei Existenzen ab, die sie zerstört hat. »Warum spielt niemand auf dem Rasen? Seltsam. Es ist so ein schöner Tag. Wo sind die alle?«
»Entschuldigung?« Eine Mutter hebt die Hand, und ihre Handtasche, eine lebensgroße Nachbildung einer Tigerkatze, schwingt hin und her, während sie versucht, mit unserer Anführerin Schritt zu halten.
»Ja?« Stacey wird noch munterer.
»Meine Tochter Jessica vergisst manchmal, ihre Vitamine zu nehmen. Gibt es irgendjemanden, der ihr helfen kann, daran zu denken?«
Ich folge Moms Blick, um abzuschätzen, wie eine solche Tochter die Zulassung zu dieser Universität kriegen konnte. Aber abgesehen von der Tatsache, dass sie Kinderschuhe trägt, macht Jessica nicht gerade den Eindruck, als bräuchte sie eine persönliche Vitaminassistentin.
»Eine sehr gute Frage! In jedem Wohnheim für Studienanfänger gibt es einen Studenten mit Beraterfunktion, und ich bin sicher, dass Jessica und ihr
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