Liebe auf krummen Beinen
Eugen grinsten sich an.
«Dixieland Stomp », sagte Eugen. Ich spitzte die Ohren.
Aus dem Kasten kamen wehmütige, hingehauchte Trompetentöne, mühelos und glasklar, und andere liefen darüberhin und nebenher. Wie ferne Jahrmarktsmusik, die der Wind herüberweht. So gut paßte diese Musik zu dem hellen, faulen Vormittag, dem Bierdunst und den trinkenden Männern, daß ich mich auf meinem Stuhl zusammenrollte und mit geschlossenen Augen lauschte. Die Trompete stieg hoch und fiel ab, eilte voraus und blieb zurück, und plötzlich war mir, als wäre ich ganz woanders, weit weg in einem anderen Land, das ich noch niemals gesehen hatte.
Die Musik hörte auf. Ich hörte den Bierhahn zischen, dann Eugens Stimme:
«Was macht Rita, der Goldfisch?»
«Liebt mich fortwährend. Außerdem kommt sie heute nachmittag.»
«Wann heiratest du sie?»
«Nach deiner Hochzeit.»
«Meinst du, mich nimmt jemand?»
«Kann es mir schwer vorstellen», sagte Dan.
«Also wird auch aus deinem Glück nichts. Mensch, und das viele Geld! Wir könnten die Bude zu einem fünfstöckigen Hotel umbauen lassen.»
Aus der folgenden Pause schloß ich, daß sie die fünfte Runde eröffneten. Ihre Begeisterung steigerte sich.
«Mit Kellerbar?»
«Und Dachgarten?»
«Und eingebautem Orchester?»
«Und allen Getränken der Welt?»
«Und einem Cadillac, so groß wie 'ne Lokomotive?»
«Und eigenem Ballett?» Sie tranken, es gluckste, und dann atmeten sie tief.
«Tja», sagte Dan ergriffen, «das viele schöne Geld! Das ist es ja eben, Eugen, mein Freund. Sie ist ein lieber Kerl. Aber sie hat zu viel Geld. Der Mammon hat sie verdorben. Sie kann nicht mehr anders denken als in Brillanten und Biarritz. An eine goldene Kette käme ich. Ich dürfte keine Spitzbuben mehr fangen, müßte bei ihrem Alten in der Fabrik herumlungern und so tun, als verstände ich etwas davon. Beim Gongschlag müßte ich zu Mittag essen und abends die Gäste unterhalten — jeden Abend jemand anders. Einmal im Jahr gäb's Urlaub. Capri, Monte Carlo, St. Moritz und dann wieder Capri. Immer im ersten Haus am Platze, und mit 120 Koffern. Weihnachten im Schoße der Familie. Und für Nachwuchs müßte ich sorgen, damit das Geld in der Sippe bleibt und Schwiegermama was zum Spielen hat.»
«Daniel, der Sorgende», sagte der auf seinen Tresen gestützte Eugen.
«Hübsch ist sie», murmelte mein trunksüchtiges Herrchen. «Möchte wissen, was sie an mir findet.»
«Das möchte ich auch wissen. Bei Frauen kennt sich der Teufel aus.»
«Willst du sie nicht nehmen? Wir waschen dich schön, ziehen dir einen Frack an ...»
«Umsonst», sagte Herr Schwarz. «Ich glaube kaum, daß sie mich meinen Tresen in ihrem Salon aufbauen lassen würde. Und dann meine Rosel! Sie ermordet mich, noch bevor ich die Mitgift verschleudert habe.»
Unter diesen Reden goß er noch eine Runde ein. Ich setzte mich aufrecht und blickte vorwurfsvoll auf die beiden.
«Soeben hat dein Dackel Blasius den Trunkenbold in uns erkannt», sagte Eugen.
Allmählich wurde mir die Trinkerei langweilig. Ich duselte ein. Da sprang plötzlich die Tür auf, und herein stürzte ein Mann mit schwarzem Bart. Hinter der Brille hatte er durchdringende, aber gute Augen. Sein Hemd und seine Hose waren mit Farbe beschmiert, und dazu trug er altersschwache Sandalen.
Er faltete die Stirn und schaute mit wildem Blick auf Dan, Eugen und mich.
«Habt ihr schon wieder ein Gelage? Was ist das für ein Tier?»
Dan stellte mich vor. Ich erfuhr, daß es sich bei dem wilden Mann um Herrn Otmar Stadler handelte, Maler und Graphiker.
«Ich werde ihn porträtieren», versprach er, «ich werde sein Wesen aus ihm herausholen.»
«Ich werde ein Bier für dich herausholen», sagte Eugen, «obwohl ich weiß, daß du erst morgen bezahlst.»
Otmar richtete seine blitzenden Augen auf ihn.
«Was sagst du da, Schurke?»
«Du hast immer erst morgen bezahlt», antwortete Eugen ungerührt.
Dan schlug dem Maler auf die Schulter.
«Tröste dich, Raffael! Mir geht's genauso. Unsere Amme stillt uns aber auf Kredit.»
Die Amme stellte ein Bier und einen Schnaps für den Bärtigen hin. Betreten blickte ich von einem zum anderen. Ein armer und durstiger Haufen zugleich, in den ich da geraten war! Würde wohl doch das beste sein, wenn Dan Rita, die Reiche, heiratete.
Der Maler goß sein Bier mit großer Geschwindigkeit hinunter. Schaumflocken benetzten seinen Bart.
«Dank dir, du Edler! Übermorgen bezahle ich, bei meinem Barte!»
«Morgen
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