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Liebe auf krummen Beinen

Liebe auf krummen Beinen

Titel: Liebe auf krummen Beinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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und sah mich kommen.
    «Ha», rief er, «ein reitender Bote! Tritt näher, Freund!» Ich konnte vor Lachen nicht weiter. Otmar trug seine gewohnten Wandervogellatschen. Dann kamen rauhe Stachelbeerbeine und eine uralte speckige Lederhose. Über die Brust hing ihm ein langer Bart, der sich in der Mitte teilte und unter den Achseln durchgezogen war. Mehr hatte er nicht an. Nur noch eine Perücke von der Farbe des Bartes und gewaltige Augenbrauen, die seine blitzenden Augen noch besser zur Geltung brachten. Er schwang eine Holzkeule gegen mich, und ich sprang an ihm hoch und begrüßte ihn.
    Dan und Eva kamen heran.
    «Grüß dich, Waldschrat!» rief Dan.
    «Dich auch, Herzbruder!» sagte Otmar.
    «Hier hab ich was für deine Räuberhöhle. Eva, das Waisenkind!» Otmar umarmte sie und zog sie an seinen Bart.
    «Sei willkommen, Nachtblume! Deine Schönheit wird alle Winkel erleuchten.»
    Wir traten ein.
    Die Wohnung war verzaubert. Otmar hatte gemalt wie eine ganze Zeichenklasse. Überall hingen grinsende Fratzen, Mädchen ohne störende Textilien, Männer mit harter Schlagseite und windschiefe Phantasielandschaften. Durch farbige Lampions strahlte das Licht sämtlicher verfügbaren Birnen. Aus dem Atelier hatte er eine Unterwasserbar gemacht. Ein grünes Gewirr von Papierstreifen hing von der Decke und wurde durch einen Ventilator in wellenähnliche Schwingungen versetzt. Die Sitzgelegenheiten waren an den Wänden verteilt. Hinter einem Bartisch mit Schiffsglocke und Positionslaternen stand Johnny Wieland, angetan als Kampfschwimmer, mit Schwimmflossen und hochgeschobenem Augenschutz.
    «Hallo, Dan!» rief er. «Was spricht man in Zuhälterkreisen?»
    «Man stöhnt über die Unkosten», antwortete Dan. «Eva, dieser versoffene Froschmann ist Johnny!»
    Eva hatte sich inzwischen aus ihrem Mantel geschält. Ich vergaß sogar das lästige Gummiband am Hals bei ihrem Anblick.
    Sie trug einen knappen, ärmellosen Pullover und einen engen geschlitzten Rock über den nackten Beinen. Ganz in Schwarz, aber ringsherum mit weißen und roten Händen bedeckt. Es sah aus, als griffen sechs Männer zugleich nach ihr.
    «Donnerkiel», staunte Dan ergriffen. «Für dich gibt mir mein Mädchenhändler das Dreifache!»
    Johnny machte Stielaugen. Man sah es ihm an, wie gut ihm Eva gefiel.
    «Glotze nicht, sondern gib uns was zu trinken, du Sohn einer Miesmuschel!» befahl Otmar. « Putzi —wo bist du?»
    Ein zweites Mädchen kam herein. Auch ein ganz süßes Kind, schlank wie eine Säule und mit einem Gesicht wie Marzipan. Über diesen Voraussetzungen trug sie ein unmögliches Kostüm, ein hängendes, kurzes Kleid mit tiefer Taille, einen Glockenhut, und um den Hals hatte sie sich eine unechte Perlenkette gewickelt. «Miß 1928», sagte Otmar. Sie begrüßte uns alle und lachte furchtbar über mich.
    Wir setzten uns an die Bar. Ich kam auf einen Stuhl zwischen Dan und Putzi . Es stellte sich heraus, daß außer uns Fünfen noch niemand da war. Otmar hatte mit Johnnys und Putzis Hilfe die Dekoration aufgebaut und einen Punsch angesetzt. Dabei hatten sie reichlich gekostet. Putzi plapperte und kicherte ununterbrochen, und auch die beiden Herren hatten schon glänzende Ohren.
    Ich bekam eine warme Wurst aus einem Eimer, in dem ein Tauchsieder hing. Die anderen ernährten sich flüssig. Über uns schaukelten die Papieralgen, und der Duft von Tabak und Parfüm benebelte uns. Es war herrlich.
    Dann klingelte es anhaltend. Paul und Gerda kamen an, als Harlekin und Colombine, wie aus einem Wanderzirkus entflohen. Hinter ihnen trottete Ralf, mein Herr Bruder. Ich fiel bei seinem Anblick fast vom Stuhl.
    Sie hatten ihm ein gestricktes Wams angezogen, rosafarben, mit blauen Schleifchen und kleinen Bommeln am Hals. An den Ohren trug er Bernsteinclips. Inmitten des Gelächters saß er betreten da und versuchte, sie mit den Pfoten abzustreifen. Ich war froh, daß Dan nicht auf diese Idee gekommen war. Da war das Hutband noch leichter zu ertragen.
    Mit dem nächsten Klingeln erschien Rita. Ich war etwas in Sorge, wie die Begegnung zwischen Dan und Rita verlaufen würde. Aber es ging alles glatt. Rita ließ sich den vergangenen Sonnabend nicht anmerken. Sie paßte zur Einrichtung, denn sie kam als Meerjungfrau mit grünem, enganliegendem Schuppengewand. Im Haar hatte sie einen stachligen Seestern, und im Ausschnitt baumelte ein Smaragdanhänger, der im Gegensatz zu Putzis Perlen durchaus echt war.
    Eugen, der Süffige, und seine Freundin Rosel kamen als

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