Liebe auf krummen Beinen
Pappklatsche nach uns.
Gegen halb zwei kam die Stunde der Wahrheiten. Alle sprachen miteinander und sagten sich, was sie schon längst hatten einander sagen wollen. Ich bemerkte mit Freude, daß Eva sich mit Rita unterhielt. Sie schienen sich ganz gut zu verstehen. Schließlich tranken sie miteinander Brüderschaft. Na, wunderbar!
Eugen stand zwischen Dan und Otmar an der Bar und hielt einen Vortrag über den unaufhaltsamen Niedergang des Gaststättengewerbes. Johnny hatte Putzi auf dem Schoß und versuchte unentwegt, sie auf sämtliche freien Stellen zu küssen. Gerda, Rosel und Paul spielten mit uns. Von meinem Kostüm war nur noch der Hut übriggeblieben. Ralfs Wollsakko sah aus wie ein älterer Topflappen. Rosel kam zu dem Entschluß, für Eugen und sich auch einen Abkömmling unseres Stammes zu kaufen, so sehr war sie von uns begeistert.
Allmählich nahm die Trunkenheit zu. Als erste erwischte es Rita. Die Brüderschaft mit Eva hatte ihr den Rest gegeben. Sie wurde genauso grün wie ihr Kostüm. Gerda brachte sie hinaus, blieb einige Zeit weg und verkündete dann, sie habe sie im Fremdenzimmer aufs Bett gepackt, und es würde schon vorübergehen.
Mein wackerer Herr hatte auch ganz schön einen in der Krone. Er ließ Johnny nicht mehr an Eva heran und verschwand plötzlich mit ihr. Ich schlich hinterher. Im Eßzimmer fand ich sie wieder.
Es war dunkel dort, und ich sah nur ihre Schatten vor dem nachtblauen Fenster. Sie standen eng beieinander und küßten sich bedeutend intensiver als vor einer Woche in unserer Wohnung.
«Ich liebe dich», sagte Dan. Es klang schön, obwohl es sicher schon oft gesagt worden war auf dieser Welt, und es gefiel Eva. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und umarmte Dan, daß es aussah, als stünde nur ein einziger Mensch vor dem Fenster.
Ich kroch unter dem Tisch durch, bis ich unmittelbar neben ihnen war. Dann stellte ich mich aufrecht und berührte sie mit den Pfoten. Eva stieß einen leisen Schrei aus.
«Nicht erschrecken», sagte Dan. «Pluto, der Höllenhund. Unser Trauzeuge.»
Er faßte mich am Nackenfell. Ich landete auf Evas Armen. Dan schob sich wieder heran, und nun berührten ihre Gesichter meinen Rücken, und ihre Worte strichen darüber hin. Ich gehörte zu ihnen.
«Ihm verdanken wir unser Glück», sagte Dan.
«Ich werd's ihm nie vergessen», antwortete sie.
Ihr weiches, schönes Gesicht lag an meinem Körper. Ich spürte den Duft ihres Haares und konnte Dan nachfühlen, was er empfand. Sie küßten sich über mich hinweg und quetschten mich dabei so zusammen, daß mir die Luft wegblieb.
Dann gingen wir zu den anderen hinüber. Ich wurde müde. Ralf war schon entschlummert. Ich zog mich in einen stillen Winkel zurück und schlief trotz des Lärmes ein, kaum daß ich die Augen geschlossen hatte, zufrieden mit den Ergebnissen der Nacht.
Ich erwachte, weil irgend etwas vorging. Der gleichmäßige, einschläfernde Lärm hörte plötzlich auf. Draußen begann es zu dämmern, und der Nachthimmel wich einem fahlen, fernen Blau. Das Atelier war völlig verwüstet. Die Gäste hockten mit bleichen Gesichtern in den Ecken, Die Kostüme hatten teilweise erheblich gelitten. Eugen fehlten etliche Fransen an seinem Baströckchen.
Die Sterntaler von Rosels Kleid waren weg. Dans Fliege saß im I Genick, statt vor dem Kehlkopf. Der Bart des Gastgebers war überhaupt nicht mehr vorhanden. Putzi , Miss 1928, war zerrupft wie ein entblättertes Gänseblümchen.
Alles das erfaßte ich mit einem schnellen Rundblick und sah nun auch den Grund für die allgemeine Aufmerksamkeit: Am Türpfosten lehnte Rita. Sie schien eben erst aufgewacht zu sein und sah zerknittert und angegriffen aus. Zweierlei an ihrer Ausrüstung fehlte. Der Seestern und der Smaragdanhänger.
Ritas Augen wanderten umher, sie lächelte schwach und faßte mit einer unsicheren Bewegung an ihren nackten Hals. «Entschuldigt», sagte sie, «hat einer von euch meine Kette gesehen?»
Einen Augenblick herrschte Stille. Dann hob Otmar den Kopf. «Was?» lallte er. «Kette? Ist sie weg?»
«Ja», sagte Rita. «Als ich aufwachte, merkte ich, daß ich sie nicht mehr hatte. Ich muß sie irgendwo in der Wohnung verloren haben.» Otmar sah sie an, als hätte er nicht verstanden. Er erhob sich unsicher. Gerda, die bei weitem die nüchternste war, drückte ihn auf seinen Stuhl zurück.
«Wo bist du denn gewesen?» fragte sie. «Komm, wir sehen nach.» Sie gingen hinaus. Otmar schüttelte seine unechte Mähne. «Kette
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