Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe auf krummen Beinen

Liebe auf krummen Beinen

Titel: Liebe auf krummen Beinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
Vom Netzwerk:
rieselte bedrohlich. Die Luft wurde stickiger.
    Mit einem Schlag verließ mich aller Mut. Wenn sie mich nicht rausholten, mußte ich ersticken. Diese Höhle würde mein Grab werden, und niemals würde ich die Sonne wiedersehen. Dan und Eva! Jetzt, wo alles in Ordnung war, jetzt sollte ich fort von euch. Warum nur?
    Ich schloß die Augen, um sie vor den Sandkörnern zu schützen, und preßte mich zitternd auf den Boden. Wie lange würde der Schacht noch halten?
    Durch Moritz' Gebell klang hastiges Stimmengewirr. Der Sand verschluckte die Worte. Ich konnte sie nicht verstehen. Dann kam ein anderes Geräusch, ein Kratzen und Wühlen. Sie suchten nach mir! Meine Furcht verschwand.
    Eine Ewigkeit blieb ich bewegungslos sitzen und lauschte dem Knirschen des Sandes. Das Ofenrohr hinter mir bewegte sich und rutschte mit einem schleifenden Laut nach hinten. Ich stemmte mich mit aller Kraft zurück, bohrte mich in den Sand, kam nicht weiter. Der Schacht vor mir brach ein. Klebrige Erde preßte meinen Körper zusammen. Ich bekam keine Luft mehr. Wie ein donnernder Wasserfall brauste es in meinen Ohren. Das letzte, was ich fühlte, waren Dans große warme Hände, die mich umfaßten und aus der Klammer des Sandes rissen.
    Sie hielten mich noch, als ich wieder zu mir kam.
    Dan hatte den Rock ausgezogen und preßte mich an sein weißes Hemd. Wir waren beide über und über mit Schmutz bedeckt. Es regnete in Strömen. Die Tropfen klatschten durch die Blätter auf mein Fell, in
    Dans Gesicht und über sein Hemd. Ich sah die aufgewühlte Erde und das Blechrohr.
    Dicht bei uns stand Herr van Eck unter einem Schirm. Er hielt einen Spaten in der Hand, dessen Blatt unbenutzt und blank war. Dan hatte mich mit seinen Händen ausgegraben.
    Es dauerte einige Tage, bis ich mich von der Geschichte erholt hatte. Wie wir nach Hause gekommen sind, weiß ich nicht mehr. Ich war vollständig erledigt. Ich hatte mich erkältet, mußte andauernd niesen und träumte ständig von Kaninchen, drückender Erde und Sand in den Nasenlöchern.
    Dans Hemd war zum Teufel, und der Anzug mußte in die Reinigung. Dennoch hatte Herrchen nicht geschimpft und nichts gesagt. Ich nahm mir vor, ihm keinen Ärger mehr zu machen...
    Genau eine Woche nach meinem Abenteuer im Kaninchenbau rüsteten wir uns für Otmars Fest. Wir waren großartiger Laune. Eva hatte zugesagt. Wir durften sie auch noch abholen, ihr Wagen stand zur Inspektion in der Werkstatt.
    Dan hatte ein paar Schnäpse zum Anwärmen zu sich genommen. Er stand vor dem Spiegel und probierte sein Kostüm an. Er sagte, er ginge als Pariser Zuhälter, aber ich konnte mir darunter nichts vorstellen. Zu einer dunklen Hose trug er ein buntes Ringelhemd, darüber eine alte rotweinbekleckerte Frackweste und auf dem Kopf einen schäbigen Zylinder. Um den nackten Hals hatte er eine schwarze Fliege geschlungen. Die Zigarette steckte er schief in den Mundwinkel und versuchte, eine brutale Miene aufzusetzen. Ganz schaffte er es nicht.
    Anschließend kam ich dran. Er zog mir eine Papiergirlande um den Hals und kreuzweise zwischen den Vorderbeinen durch und verknotete sie auf dem Rücken. Ich erhielt einen kleinen flachen Papphut , den ein Gummiband festhielt. An Stelle des Halsbandes hängte er mir eine Schokoladenschnapsflasche in Goldpapier um. Ich sah aus wie eine Schießbudenfigur. Das Gummiband unter dem Hals störte mich. Dan schob mir den Hut ins Genick, da ging es besser.
    Es war halb acht. Dan goß noch einen gewaltigen Rum in sich hinein. Dann löschte er das Licht, und wir verließen die Wohnung.
    Auf der Straße lachten ein paar Leute über uns. Ich würdigte sie keines Blickes.
    Evas Fenster waren erleuchtet. Dan ließ seine heisere Hupe ertönen. Eva winkte herunter, aber es dauerte doch noch zehn Minuten, bis sie in der Haustür erschien. Sie trug ihren Mantel hochgeschlossen und einen goldenen Stern im Haar. Als sie unserer ansichtig wurde, fing sie an zu lachen.
    «Da gibt es nichts zu kichern», sagte Dan mit finsterer Miene. «Ich bin Gaston, der Schrecken vom Montmartre, und noch vor Mitternacht werde ich dich an einen Millionär verleihen, schönes Waisenkind.»
    Eva deutete auf mich. «Und wer ist das?»
    «Pluto, mein Leibwächter. Beim geringsten Fluchtversuch zerreißt er dich in Atome!»
    «Komm auf meinen Schoß, Pluto!»
    Ich tat es, und dann ratterten wir davon.
    Bei Otmar hörten wir den Lärm schon im Treppenhaus. Dan klingelte unten. Ich jagte die Treppe hinauf. Oben stand Otmar an der Treppe

Weitere Kostenlose Bücher