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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Giovanni Portula, der aus alten Fischen frische Fische zu machen verstand, eilte zur Begrüßung herbei. Bei Elisabeth preßte er die Hand vor den Mund, als müsse er einen Bewunderungsschrei mit Gewalt unterdrücken, dann aber spitzte er die Lippen, küßte seine Fingerspitzen, warf den Kuß gen Himmel und stöhnte: »Che belleza! Che gioventù!« und empfahl Lorenz mit dem gleichen Atemzug Forellen — frisch aus dem Gardasee.
    »Keine Fische!« sagte Lorenz streng und studierte die Karte, »sondern zunächst die Vorspeisen, dann eine Nudelsuppe, aber nicht zu dick, dann Hähnchen vom Rost mit viel frischem Salat und schließlich einen reifen Gorgonzola. Dazu einen Barolo, wenn er echt ist.«
    »In der Originalflasche, die am Tisch geöffnet wird!«
    »Va bene«, Lorenz legte die Serviette, nachdem er sie gründlich auf Spuren von Lippenstift und Vorbenutzern untersucht hatte, über sein Knie. Der Kellner Aurelio rollte den Glaswagen mit den Antipasti heran, und Lorenz legte Elisabeth vor, ein paar hauchdünne Salamischeiben, winzige Gurken in Essig, Sardellenringe mit Oliven, eingelegte Steinpilze und ein wenig Geflügelsalat. Er mischte ihr auch den Wein mit Mineralwasser und trank ihr zu.
    »Alla salute, Lorenzo!« sagte sie und versuchte den rauhen Ton und die kleinen Schwingungen italienischer Stimmbänder zwischen den Konsonanten nachzuahmen.
    »Alla salute, amore!«
    Der Mond warf eine breite Lichtbahn über das dunkle Wasser. Hinter ihnen standen stumm und schwarz wie gewaltige Wächter der Landschaft die Kegel der Berge, und am anderen Ufer schimmerten festlich die Lichterketten der Promenaden und Hotelgärten.
    »Mit dem großen Hunger ist es aber nicht weit her«, sagte er, als Elisabeth von dem halben Hähnchen noch die Hälfte zurücklegte.
    »Die Augen waren wieder einmal größer als der Magen«, gab sie zu und nahm eine Kostprobe von dem Gorgonzola, den er lobte und den sie für ihren Geschmack zu scharf fand. »Ich habe mehr Durst als Hunger... Und denk dir, ich möchte mir einen kleinen Schwips antrinken. Oder darf man das nicht?«
    »Warum denn nicht, Liebling? Aber nicht von diesem schweren Barolo, der geht nur in die Beine. Ich werde dir einen Spumante bestellen...«
    »Er ist ein wenig süß, nicht wahr, aber er macht lustig...«
    »Das klingt gerade so, als ob du traurig wärest...« Er sah sie fragend an, aber sie gab ihm keine Antwort, und er winkte den Kellner heran, um den Asti zu bestellen.
    »Du bist plötzlich verändert...«, sagte er unsicher.
    »Ich bin nur ein wenig müde. Gib mir, bitte, eine Zigarette.«
    Er reichte ihr die Packung hinüber und bot ihr Feuer. Sie sog die Flamme an und blies sie mit einem langen Atemstoß aus. Der Kellner Aurelio setzte den Eiskübel mit dem Spumante auf den Tisch und stellte flache Schalen neben die Rotweingläser; er öffnete die Drahtsicherung des Korkens und ließ den Sekt in die Schalen zischen. Elisabeth hob ihr Glas und leerte es auf einen Zug.
    »Hallo, Liebling«, warnte Lorenz belustigt, »wenn du in diesem Tempo weitermachst, dann wird es mehr als ein Schwips...«
    »Genau das ist meine Absicht!«
    »Eh, Signora Bonaventura, was ist in Sie gefahren?« Er gab Aurelio einen Wink, sich zu entfernen, und schenkte Elisabeth von neuem ein. Sie setzte das zweite Glas an, als ob sie es wie das erste in einem Zug hinunterzustürzen beabsichtigte, aber dann stellte sie es plötzlich ab.
    »Was in mich gefahren ist? — Eine Einsicht, Lorenzo...«, sagte sie langsam und starrte dabei auf seinen Mund; und daß sie seinen Namen in der italienischen Form gebrauchte, bekam eine tiefere Bedeutung, die ihn veranlaßte, seinen Teller beiseite zu schieben. — »Es ist die Einsicht«, fuhr sie mit spröder Stimme fort, »daß wir beide miserable Schauspieler sind. Du und ich. Und daß wir die Rollen, die wir uns im Augenblick Vorspielen, nicht lange durchhalten werden.«
    Er sah sie verblüfft an und brauchte Sekunden, um seine Verwirrung zu überwinden.
    »Ich verstehe dich nicht, Elisabeth«, stammelte er, »nein, wahrhaftig, ich verstehe dich wirklich nicht...«
    »Du verstehst mich natürlich ganz genau, Lorenzo!« sagte sie, wiederum mit jener leisen Ironie oder Trauer im Tonfall, mit der sie seinen Namen schon einmal ausgesprochen hatte.
    »Nein, ich verstehe kein Wort!« wiederholte er störrisch.
    Sie hob ihr Glas und trank ihm zu: »Alla salute, Lorenzo! — Also, du behauptest, du verständest kein Wort. Ich verstehe auch kein Wort. Capisco non

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