LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
bei der Zeitung absolvierte. Andreas kannte fast jeden hier. Wie sie alle hießen, das wusste er leider nicht. Eine braune Tüte befand sich plötzlich auf seinem Tisch, die die hübsche Dame ihm elegant vor die Nase zauberte.
Andreas schaute ungläubig zu der Frau empor und tastete nach dem gebrachten Päckchen.
„Danke schön, von wem ist es denn?“, fragte er stotternd, ohne es beabsichtigt zu haben. Er hatte schon immer ein Problem beim Reden, vor allem mit den Frauen. Nur in seltensten Fällen wurde sein Redefluss vom Balbuties, dem sogenannten Stottern, gestört oder gar erstickt.
„ Oh ... ich weiß es nicht, es lag bei der Post mit dabei. Sie sind Herr Brosch, nicht wahr?“
Andreas nickte, sodass sein schwabbeliges Gesicht wie ein Wackelpud ding hin und her schwappte.
Etwas angewidert drehte sich die junge Dame um und ging, leicht mit dem Po wackelnd, ihrer Arbeit nach .
Wenn die nette Frau des Öfteren bei ihm vorbei käme, könnte er noch weitere Jahre hier verbringen, auch wenn es im Winter sehr kalt und im Sommer unerträglich heiß war, dachte er leicht erregt.
Was ihn an seinem Arbeitsplatz sehr störte, waren seine Kollegen. Das, was er von seinen männlichen Kollegen auf dem Männerklo über sich gehört hatte, schockierte ihn. Da er beim Pinkeln immer die Kabine benutzte und die Türen vorher immer abschloss, um von den schiefen Blicken ungestört sein Geschäft verrichten zu können, konnte er ungesehen, die Männer beim Lästern belauschen. Es waren sehr unschöne Sachen dabei, die auch so nicht stimmten.
Darum war vielleicht auch die junge Praktikantin so angewidert von seinem Anblick gewesen. Männer waren nicht besser als Frauen, die Mädels, so nannte er heimlich seine weiblichen Kollegen, tratschten oft im Büro. Andreas ignorierten sie wie eine zum Ambiente gehörende Pflanze. Die Männer bevorzugten für ihren Tratsch das stille Örtchen.
Andreas versuchte sich aber stets auf seine Arbeit zu konzentrieren, so wie auch jetzt.
Als er das dicke Papier aufriss, wurde seine Stirn von kleinen Schweißperlen benetzt. 'Hoffentlich ist es keine Briefbombe' , dachte er, von einer prickelnden Angst erregt, und merkte, wie sich etwas in seiner Hose regte.
„Warte auf der A8 Einfahrt bei Maisbach um 16:00 an der Kreuzung und folge dem grauen Pickup“, so lautete die Nachricht, die er samt einer Digitalkamera aus dem Kuvert ans Tageslicht beförderte. Würgend vor Aufregung und Angst schaute er sich irritiert um. Wie so oft kümmerte es keinen hier, was er da in Händen hielt, auch die Praktikantin war schon längst weg.
Sein Hals war wie zugeschnürt, er bekam kaum Luft, der graue Teppichboden kreiste unter seinen Füßen, auch die Wände begannen zu tanzen. Er hyperventilierte, das Kuvert kam genau richtig, Andreas benutzte es als Tüte und atmete in kurzen Zügen die Schwindelattacke weg.
Immer wieder las er die Nachricht, drehte das Papier mehrmals um, nach einigen Wiederholungen hielt er inne, mehr als den einen Satz fand er darauf nicht.
Zum Glück war die Digi leicht zu bedienen. Andi, so nannte seine Mutter ihn immer noch, schaltete die kleine Kamera an und vergewisserte sich, dass darauf nichts Wichtiges abgespeichert war. Eine weitere Botschaft gab es auch hier nicht.
Ein Blick auf die Wanduhr verriet ihm, dass er noch ungefähr zwei Stunden für seine Vorbereitungen hatte. Andreas gehörte zu der Sorte Menschen, die alles akribisch zurechtlegen mussten, bevor sie mit irgendetwas anfingen. Darum stand er immer zwei Stunden früher auf als seine Kollegen. Vielleicht war das auch einer der Gründe, warum er es nie zu einem richtigen Journalisten geschafft hatte. Alles, was er unter Zeitdruck zu erledigen begann, war von Anfang an zum Unheil verdammt. Alles lief schief und endete in einem Debakel, wenn es nicht seinen Vorstellungen entsprach, war er gleich irritiert und desorientiert. Heute wollte er alles richtig machen. Zwei Stunden würden ihm reichen müssen. Erst musste er aber nach Hause fahren . 'Nein', stoppte er seinen Gedankenfluss. Heute würde er nicht zu seiner Mama fahren und ihr bei einer Tasse Kakao seine Neuigkeiten berichten. Sie würde ihn wie jedes Mal davon abhalten wollen, womöglich sogar in seinem Zimmer einsperren. Die heutige Chance war seine letzte, das spürte er mit seinen Nackenhaaren, seine Bärenbehaarung hatte ihn noch nie im Stich gelassen. Andreas holte aus seinem Jackett einen metallenen Kamm, den er von seinem Vater zu seinem
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