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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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der Kontrolleur höflich, »wir haben das nicht erwartet. Aber es genügt uns. Sie können weiterarbeiten. Die Regierung will in diesem besonderen Falle beim Bau der Ausstellung die Bestimmungen nicht allzu streng nehmen. Entschuldigen Sie bitte die Störung.«
    »Bitte, es ist doch Ihre Pflicht.«
    »Darf ich Ihren Ausweis sehen?« fragte der Kontrolleur Kern.
    »Ich habe keinen.«
    »Kein Recepisse?«
    »Nein.«
    »Sie sind illegal eingewandert?«
    »Ich hatte keine andere Möglichkeit.«
      »Ich bedaure sehr«, sagte der Mann von der Polizei, »aber Sie müssen mit uns zur Präfektur kommen.«
      »Ich habe damit gerechnet«, erwiderte Kern und sah Marill an. »Sagen Sie Ruth, daß ich geschnappt worden bin; ich komme so schnell zurück, wie ich kann. Sie soll keine Angst haben.«
      Er hatte deutsch gesprochen. »Ich habe nichts dagegen, wenn Sie sich noch einen Augenblick unterhalten wollen«, erklärte der Kontrolleur zuvorkommend.
      »Ich werde für Ruth sorgen, bis Sie wiederkommen«, sagte Marill auf deutsch. »Hals- und Beinbruch, alter Junge. Lassen Sie sich über Basel abschieben. Über Burgfelden wieder herein. Telefonieren Sie vom Gasthof Steiff zum Hotel Steiff in St. Louis um ein Taxi bis Mülhausen und von dort bis Belfort. Das ist der beste Weg. Wenn man Sie in die Santé bringt, schreiben Sie mir, sobald Sie können. Klassmann wird außerdem aufpassen. Ich rufe ihn sofort an.«
      Kern nickte Marill zu. »Ich bin fertig«, sagte er dann.
      Der Vertreter der Polizei übergab ihn einem Manne, der in der Nähe gewartet hatte. Der Kontrolleur sah Marill lächelnd an. »Hübsche Abschiedsworte«, sagte er in perfektem Deutsch. »Sie scheinen unsere Grenzen gut zu kennen.«
      »Leider«, erwiderte Marill. MARILL SASS MIT Waser in einem Bistro. »Kommen Sie«, sagte er, »lassen Sie uns noch einen Schnaps nehmen! Verdammt, ich traue mich nicht ins Hotel! Das erstemal, daß mir so was passiert! Was nehmen Sie? Einen Fine oder einen Pernod?«
      »Fine«, erklärte Waser mit Würde. »Das Anisettezeug ist für Weiber.«
      »Nicht in Frankreich.« Marill winkte dem Kellner und bestellte einen Kognak und einen Pernod pur.
      »Ich kann es ihr sagen«, schlug Waser vor. »In unseren Kreisen ist so was gang und gäbe. Da wird alle Augenblicke mal jemand hopp genommen, und man muß es der Frau oder seinem Mädchen beibringen. Am besten ist es, Sie starten mit der großen, allgemeinen Sache, die immer Opfer erfordert.«
      »Was für eine allgemeine Sache?«
      »Die Bewegung! Die revolutionäre Auflärung der Massen, selbstverständlich!«
      Marill betrachtete den Kommunisten aufmerksam eine Weile. »Waser«, sagte er dann ruhig, »damit würden wir wohl nicht weit kommen. So was ist gut für ein sozialistisches Manifest, aber für weiter nichts. Ich vergaß, daß Sie in politischen Dingen stecken. Trinken wir unsern Schnaps, und dann an die Gewehre! Irgendwie wird es schon gemacht werden.«
      Sie zahlten und gingen durch den matschigen Schneebrei zum Hotel Verdun. Waser verschwand in der Katakombe, und Marill stieg langsam die Treppen hinauf.
      Er klopfe an Ruths Tür. Sie öffnete so schnell, als hätte sie hinter der Tür gewartet. Das Lächeln auf ihrem Gesicht verwischte sich etwas, als sie Marill sah. »Marill …«, sagte sie.
      »Ja, den haben Sie wohl nicht erwartet, was?«
      »Ich dachte, es wäre Ludwig. Er muß ja auch jeden Augenblick kommen.«
    »Ja.«
      Marill trat ein. Er sah Teller auf dem Tisch stehen, einen Spirituskocher mit brodelndem Wasser, Brot und Aufschnitt und in einer Vase ein paar Blumen. Er sah das alles, er sah Ruth, die erwartungsvoll vor ihm stand, und er nahm unschlüssig, um etwas zutun, die Vase hoch. »Blumen«, murmelte er. »Auch noch Blumen.«
      »Blumen sind billig in Paris«, sagte Ruth.
      »Ja. Ich meinte das nicht so. Nur …« Marill stellte die Vase so vorsichtig zurück, als wäre sie nicht aus billigem, dickem Preßglas, sondern aus hauchdünnem Porzellan. »Es macht es nur noch so verflucht viel schwerer, das alles …«
      »Was?«
      Marill antwortete nicht.
      »Ich weiß es«, sagte Ruth plötzlich. »Die Polizei hat Ludwig gefaßt.«
      Marill drehte sich um, ihr zu. »Ja, Ruth.«
      »Wo ist er?«
      »In der Präfektur.«
      Ruth nahm schweigend ihren Mantel. Sie zog ihn an, stopfe ein paar Sachen in die Taschen und wollte an Marill vorbei, aus der Tür. Er hielt sie auf. »Das ist

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