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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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beiden, um zu regeln, wer in Franz’ Abwesenheit den Schwestern, die sich den Fratres minores angeschlossen haben, vorstehen soll – Frühsommer zwölfhundertvierzehn, das Kloster San Damiano vor den Toren Assisis. Gut ein Dutzend der Poverelle ohne jeden Besitz, nicht einmal den ihrer Haare, gibt es dort im dritten Jahr nach Gründung des Ordens, Klara mit kaum zwanzig die jüngste.
    Sie steht vor Franz in dem Kreuzgang, der den Garten inmitten des Klosters einrahmt, die Blumen, die Kräuter, zwei Olivenbäume, roter und weißer Oleander und der rankende Jasmin, der jetzt im Juni blüht, eine schwere Süße in dem Innenhof ohne Wind. Es wird bald Abend, nur ein Teil des Kreuzgangs hat noch Sonne, die Hitze gestaut unter den Bögen. Klara trägt eine Kutte aus Rupfen, grobes Gewebe, das die Luft durchläßt; auf dem kahlen Kopf eine Haube aus Leinen, etwas nach hinten gerückt, damit die Stirn ganz hervorschaut. Nach dem Mittagsgebet hat sie auf kühler Erde in ihrer Kammer eine Stunde geruht, danach Wasser aus dem Brunnen geholt, sich das Gesicht gewaschen und dabei ihre Augen im Wasser gesehen, schräge Augen mit dunklen Pupillen, seltsam fremd bei heller Haut. Sie war ganz blond, la bionda haben alle das Mädchen aus dem Hause Offreduccio genannt, ihr Haar war bis auf die Schultern gefallen; seit drei Jahren wird es nun schon geschoren, und etwas an ihr ist immer noch blond. Zwei Spatzen fliegen in den Kreuzgang und umflattern den Poverello, er trägt ein hellorangefarbenes Band um den Kopf, es fängt den Schweiß auf, aber es kleidet ihn auch, ein Band aus altem Fahnentuch. Sein Bart ist schon silbrig am Hals, er ist Anfang dreißig, Klara weiß, was sie wissen muß – sie hat mit den anderen darüber geredet, mit Agnes und Pacifica, mit Philippa, Benvenuta, Balvina und Cecilia, alle älter als sie. Franz könnte ihr Vater sein. Und über die Schwestern soll er gesagt haben: Der Herr habe ihn vor den Frauen bewahrt, aber ob es nicht der Teufel gewesen sei, der ihm die Schwestern geschickt hat? Und sie weiß nun auch, was er von ihr will, sie soll San Damiano leiten, wenn er in diesen Tagen Richtung Spanien und Marokko aufbricht, sie soll die Mutter ihrer älteren Schwestern werden, nur weil er es nicht sein kann. Wenn er aber umkommt durch die Mauren, hätte sie den verloren, der die Schwestern und Brüder in der Fraternitas eint, ihren einzigen Verbündeten und liebsten Menschen. Du willst mich als Oberin, sagt sie und fällt auf die Knie. Warum verlangst du von deiner Schwester, was sie nicht kann? Klaras Stimme hallt im Kreuzgang, die Spatzen umflattern jetzt ihre Haube, ein helles Zwitschern in der Stille nach dem Aufbegehren. Franz berührt ihre Schultern, er nennt sie seine Stütze: die Oberste aller Schwestern, die sich erheben soll! Und er hebt selbst die Hände, von den Schultern zu der Stirn, die sie ihm bietet, er berührt ihre Schläfen, mit leichtem Druck nach oben, Klara richtet sich auf. Sie ist so groß wie er, eine schlanke Gestalt, knabenhaft auch das Gesicht, ihre Augen schauen in seine Augen, die ähnlich geschnitten sind, nur von dem rötlichen Braun der umbrischen Erde. Deine Schwester wird tun, was sie tun muß, aber mit ihrem Willen. Segne mich! Sie kniet noch einmal nieder, und Franz segnet sie und geht; ohne Pause geht er bis in den Eichenwald auf dem Monte Subasio, um allein zu sein. Aber er ist nicht allein, als er sich im alten Laub hinlegt: in seinen Fingerkuppen noch der Puls von Klaras Schläfen.
    Bühl hatte Aufenthalt in Mailand, fast zwei Stunden, Zeit genug für ein Essen in Bahnhofsnähe, neben dem Teller sein Notebook, in dem Lokal sogar WLAN. Er schrieb und aß oder aß und schrieb, das eine kaum besser als das andere, aber am Ende stand etwas da, was vorher nicht dastand, auch wenn ohne Vilas Ichwilldich gar nichts dagestanden hätte. Geschichten kommen aus gefallenen Worten, nicht aus höheren Plänen, schon ein einziges Wort kann die Richtung ändern; wer sich nicht dem Zufall überlassen will, sollte nichts erzählen. Bühl bestellte noch Kaffee, ein Lokal, in dem alles schnell ging, eine Weile sah er den Kellnern zu, dann las er die News auf der Startseite, nicht die vom Weltgeschehen, nur die von Dingen, die einem auf der Straße und in den eigenen Wänden zustoßen können, Unfälle, Blitzschlag, Vergewaltigung oder das Geschehen in Heimen, von dem jetzt immer mehr ans Licht kam, dazu eine Meldung mit Link, und er ließ den Kaffee stehen, als er die Seite vor sich

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