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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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in eine Kajüte mit Schlafkojen, seitlich eine Tür, halb offen, dahinter eine Art Zelle mit Kloschüssel und schwankender Glühbirne über einer Spiegelscherbe. In der Schüssel, an der Wand, auf dem Holzboden, überall die Schaben, nur ihre Fühler in Bewegung; das Stück Spiegel zitternd von der Maschine im Bootsbauch, die Luft wie mit Diesel getränkt. Vila schloss die Tür hinter sich, sie sah in die Scherbe. Auch das war sie: die Augen eingefallen, das Haar wirr, ihr Mund jetzt eher schmal als voll, zwischen den Brauen steile Falten. Sie zog ihr Telefon aus der Hose und machte ein Foto von sich, sie schaute es an. Ganz okay, würde Katrin sagen, Katrin, die ihr fehlte, mehr als Bühl im Moment, oder anders als er: Katrin fehlte ihr physisch, als würde ein Teil von ihr fehlen, ein Arm, ein Fuß, Bühl fehlte ihr wie eine Landschaft, in der man glücklich ist. Sie ließ ihr Gerät ein Netz suchen und bekam es auch gleich, ein Hohn auf die Schaben, die Spiegelscherbe, die stickige Klozelle, die ganze fluchlose Karibik. Sie schickte Bühl das Foto und auch eins der Fotos von Vincent, wie er einen Köder auf den Haken zieht, die sonst trägen Muskeln spannt, im Hintergrund das Meer. Und am Ende noch eine Nachricht, ein Augustinuswort, das sie bei Wikipedia gefunden hatte, Liebe, und dann tu, was du willst!, nur das Ausrufezeichen ihre Erfindung. Sie schob das Telefon wieder in ihre Jeanstasche und ging zurück an Deck, eine Ehebrecherin: Dieses fast vergessene Wort war plötzlich da, als hätte sie’s noch mit erfunden.
    Das frischvermählte Paar saß jetzt auf der Köderkiste und sah sich die gemachten Bilder an, offenbar völlig zufrieden, ob ein Fisch biss oder nicht, während Renz schon den Kopf hängenließ. Sie stellte sich neben ihn, ein Experiment: ob sie es aushielte, dass auch unter der Stuhlbefestigung schon die Schaben hervorkamen, als witterten sie einen Umschwung. Renz griff nach ihrer Hand und legte sie an die große Angelrolle. Eine Penn International Two mit zwei Bremsen, erklärte er, schon wieder ihr ewiger Beibringer. Die eine Bremse, wenn die Burschen noch Kraft haben, mit dem Haken im Maul abtauchen, die andere, wenn sie schon erschöpft sind. Und auf der Rolle sechshundert Fuß Nylonschnur, die einfach nicht reißt, die man schon durchschneiden müsste! Er ließ sie los, und seine Wange sank auf die Schulter, der Kopf schwankte mit dem Auf und Ab des Boots, Schweiß tropfte ihm auf die Brust, sein Atem bekam etwas leise Pfeifendes, ein Sekundenschlaf, und nur sie sah eine halbe Umdrehung der Penn mit den zwei Bremsen, nur sie hörte das Einrasten ihrer Zahnrädchen, ein Ticktick Ticktick, und danach wieder Stille und Stillstand, vier, fünf Herzschläge lang, sogar die Schaben auf den Planken verharrten, allein die Fühler bewegten sich, ehe die Schnur davonschoss, mit einem Sirren in der Rolle wie von Zikaden, und in Renz ein Leben kam wie aus einer fremden Reserve in ihm; der Skipper stellte die Maschine ab, die Japaner hielten sich an der Hand, Carlsberg holte die übrigen Angeln ein; sie selbst kaute nur ihre Lippe.
    Das Boot drehte sich langsam, der Fisch zog davon, Renz konnte die Angel kaum halten, er fluchte über Schweiß in den Augen, und sie holte ein Handtuch, tupfte ihn ab, die Japanerin hätte genauso gehandelt, ein eheliches Tun, wortlos, während die Schnur über die Heckwellen schnellte und dann in die Tiefe ging, es wieder in der Rolle sirrte und der Skipper dazukam, bei sich eine Keule und ein Messer. What fish, fragte der Japaner. Big one, sagte Vincent; er legte Keule und Messer auf die Planken neben den Anglerstuhl, dann sah er beim Drillen zu; alle sahen zu Renz, der die Rute immer wieder an sich heranzog, bis zur Brust, und an der Rolle drehte, bevor der Fisch wieder zerrte, mehr ein Rucken und Reißen an der Kurbel als ein Drehen, Renz’ Schläfenadern schwollen an, Vila tupfte ihm wieder den Schweiß ab – es schien gar kein Kampf Mensch gegen Tier zu sein, sondern Tier gegen Tier, und das eine, an Land lebende Tier war ihr Artverwandter, mehr nicht im Moment. He is coming! Vincent zeigte aufs Wasser, die Schnur ging nicht mehr steil, sondern schräg nach unten, und auf einmal, noch in halbdunkler Tiefe, ein Schimmern, emporschießend, und dann schon der ganze Fisch, die blauweiße Fackel: Keine Bootslänge hinter dem Heck sprang er mit peitschendem Schwanz, und Renz zog die Angel aus ihrer Halterung, ein Luftkampf jetzt, die Beute mit spitzem Kopf und Schwert in

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