Liebe in groben Zügen
und sie hängte sich bei ihm ein, His famous movie, Ocean’s Eleven, a pure gay troop! Ihr Trumpfargument, sie blieb sogar stehen dabei, jetzt fast größer als er in ihren Stiefeln. Eine Gay-Truppe, so hatte er das nie gesehen, aber man konnte es so sehen, elf Schwule, die das Casino eines Oberheteros ausrauben wollen, ihm die Eier klauen, und dann führte sie ihn schon in ein düsteres Gründerzeithaus, im dritten Stock die Pension, eine Pension Rüdesheim.
Noch im Fahrstuhl die Erledigung des Finanziellen, seinen Schein hielt sie kurz ins Licht, wie Vincent der Skipper auf der Orgasm Hunter, danach gab es kein Zurück mehr. Ein alter Mann öffnete die Tür zur Pension, deutlich älter als er, eine Beruhigung, der Alte übergab einen Schlüssel, Handtuch und Seife, den Schlüssel für ein Zimmer mit Deckenlampe, Waschbecken und braunem Bett an einer Spiegelwand. Und schon begann die Ungarin sich auszuziehen, das ging ihm zu schnell, er fragte nach ihrem Namen. Noémi: eine leise Antwort, und er hielt ihr den Block mit seinen Missbrauchsnotizen hin, damit sie den Namen aufschreibe, was sie auch tat, da war sie schon nackt bis auf ein Paar Ringelsocken. Noémi schrieb sie in einer kindlichen Schrift, der Akzent mehr ein Kringel, und er fragte nach ihrem Alter. Ventisei. Also so alt oder jung wie Katrin. E tu? Die Frage musste jetzt kommen, da hatte er nicht aufgepasst, Noémi lag schon auf dem braunen Bett, in der Hand ein Kondom, sie war rasiert zwischen den Beinen, unschuldig hell, und wartete auf ihn und seine Antwort, und er sagte einfach alt, vecchio, und fragte, was alt auf Ungarisch heiße, um noch mehr Zeit zu gewinnen. Öreg. Öreg? Er sprach es ihr nach und fragte auch gleich, was danke heiße, ein Wort, das nie schadet, und sie sagte etwas, das sich keiner merken konnte, in seiner Lage schon gar nicht, immer noch bekleidet neben einem nackten ungarischen Ex-Model, jetzt Prostituierte im Alter seiner Tochter. Er bat sie wieder, es aufzuschreiben, und sie schrieb in ihrer Kinderschrift unter seine Notizen köszönöm – das sollte danke heißen, er glaubte es kaum, sprach es aber gleich aus, und sie verbesserte ihn, ein Stück Unterricht auf der Bettkante, und dann wurde es Zeit, sich selbst auszuziehen, da assistierte sie, als sei er schon etwas ungelenkig, der Trenchcoat, das Jackett, die Schuhe, die Hose. Sie hängte die Hose sogar über den einzigen Stuhl, immer noch in den Socken, weil sie wohl unter kalten Füßen litt, und er entschied sich, ebenfalls die Socken, graue Socken von Falk, aber auch das Oberhemd anzubehalten, in der Spiegelwand ein indiskutables Bild. Er wollte das alles nicht und ließ es dennoch geschehen: dass sie jetzt anfing, an ihm zu spielen wie eine Katze mit einem gefundenen Gegenstand, immerhin ganz anders als Vila, da waren es letztlich Samariterinnendienste, an ihm wie an sich; und Marlies hatte etwas Erbittertes im Bett, ihr ging es um Leben, nicht um Lust. Ihm ging es höchstens um zehn, zwanzig gedankenlose Minuten, ohne Marlies, ohne Vila, ohne sich selbst – die komplette Stunde, das war nur ein Wort als Gegenwert für sein Geld, die Minuten waren real, wenn auch nicht ganz gedankenlos. Kilian-Siedenburg fiel ihm ein, wie der es wohl mit Marlies gemacht hatte und sie mit ihm, auch auf ihre Jetztodernieart: ein Grund, sich zu fragen, ob das nicht störend wäre. Er hatte sich das bisher nicht gefragt, und nun tat er es, erst neben Noémi, dann hinter der Ungarin, oder die Frage stellte sich einfach, Antwort: nein. Nein, es störte nicht, was da einmal war, Marlies lebte nur in der Gegenwart, die sie noch hatte, ihre Ehe war für sie ein Irrtum, der Sex inbegriffen, und so lange es noch ging, holte sie alles nach, oft nah an den Tränen, mehr überwältigt als befriedigt, für ihn fast zu viel, wie Vila, als sie noch Worte von seinen Lippen ablas. Bei ihr jetzt das Allzubekannte, bei Marlies das Zuviele, und hier auf dem Bett, an einen ungarischen Ex-Model-Hintern gepresst, genau das Richtige, wie geschaffen für diesen Moment, und da fiel ihm Clooney ein: der vielleicht auch nichts anderes suchte, wenn er denn schwul war, nichts als das momentan Richtige mit dem Richtigen, und damit gingen die Minuten zu Ende, übrig nur noch ein paar Sekunden, ehe alles Denken, alles Sein, wie durch ein Öhr gezogen wurde.
Die Ungarin gönnte ihm dann noch etwas Ruhe, er sah wieder zur Spiegelwand: auf einen Vater des Kerls, der er einmal war, hier in Berlin mit seiner
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