Liebe in groben Zügen
einfach an, sagte sie und schwenkte das Skript, das er ihr zugeschickt hatte, zwischen den Seiten kleine Zettel, blaue, grüne, rote, ihre Einwände gegen sein Probebuch für die Pathologinnenserie. Sie schob es über den Tisch, auf der Frontseite auch ihr Name, Marlies Mattrainer, Producerin, und ihre Rolle in dem Geschäft: Stoffentwicklung, Dramaturgie, Marketing. Sie war ihre eigene Firma, und sie kam auch gleich zur Sache, seine Tötungsart, Ersticken mit Kuchen, unter Umständen albern, ein Stück Komödie. Albern? Renz sah über ihr Haar hinweg auf den See und konterte mit einem Bildungsbröckchen: Das ist eine Rohfassung, früher genannt Manuskript. Und Manuskript heißt im Italienischen la brutta copia, die hässliche Kopie oder noch nicht perfekte Fassung. Aber mit kurzem O gesprochen, la coppia, heißt es auf einmal das Paar. Möchten Sie etwas Käse, frischen Parmesan? Und anstelle einer Antwort leises Räuspern, leises Husten, und die nächste Zigarette, Renz gab ihr wieder Feuer. Man kann natürlich alles ändern, fügte er hinzu. Möchten Sie alles ändern, Marlies? Eine Frage beim Nachschenken von Wein, und seine Besucherin, noch immer im Mantel, als wollte sie gleich wieder gehen, sich ein Hotel suchen, schlug das Skript auf und begann darin zu blättern, ihre Anmerkungen mit grünem Stift: wie Efeu, der an seinen Worten fraß. Sie überflog ganze Szenen mit Lippenbewegungen und sah ihn dann durch den Rauch an. Könnte nicht Organhandel dazukommen oder ein rassistisches Motiv oder beides? Ihre Zigarettenasche fiel auf den Tisch, er blies sie fort. Das waren Hauptabteilungsleiterideen: die großen Themen schon in den Vorabend ziehen, wenn es sein muss mit Russenmafia – er blähte die Backen, und Marlies Mattrainer tippte auf eine Seite ohne Efeu. Das hier, wunderbar! Unsere Heldin findet ein beschriebenes Papier im Magen der Toten, wie kommt es dort hin, was kann man noch lesen darauf? Die Pathologin in ihrem Element, doch dann gerät sie in ein ganz anderes, das der Liebe, denn es ist ein Liebesbrief. Und Liebesbrief auf leeren Magen wäre ein schöner Titel. Zeigen Sie mir das Haus?
Das Haus, was sollte er zeigen, die Bilder, die Möbel, den Schnitt der Räume, den Blick vom Dach – er müsste ihr die Jahre zeigen. Katrin klein auf dem Sofa, ihr Schlaf in der Hitze, Kasper in der Sonne auf dem Holzboden im oberen Stock, die Balkontür weit auf, Vila und er im Bett, ein unendlicher Mittag. Überall waren die Jahre, wenn er durchs Haus ging, auf dem großen Tisch im Wohnraum, auf den alten Grappaflaschen, im geschwärzten Kamin. Er sah Katrin in die Flammen schauen, den stillen Gang ihres Körpers, während Vila in der Wanne lag, aus dem Bad schläfriges Plätschern, wie in den ungenutzten Tränken auf den Hängen des Monte Baldo, wenn sich das Vieh vor der Hitze in die Macchia zurückzog. Renz zeigte auch die oberen Räume, seinen Arbeitsplatz und Vilas Reich. Hier schläft meine Frau, sagte er, und von Marlies ein Lächeln. Ihr Mund: wie eine teure Uhr im Samtbett. Die Führung endete im Gästezimmer; ein Hotel hatte er ihr am Telefon ausgeredet, zwei längere Gespräche, während Vila unten im Ort war. Vielleicht kannte er sie auch schon mehr als etwas. Ein wohnliches Haus, sagte sie. Und jetzt?
Sie tranken noch ein Glas im Garten, das war jetzt, und er erzählte vom See, als würde man ihn nicht liegen sehen, von seiner Pracht, seiner Gewalt. Und später kochte er, auch das war jetzt, er machte Nudeln al pesto. Ich mag das Wort Spaghetti nicht, sagte er, und Marlies stieß mit ihm auf der Terrasse an, noch ein Gnadenabend. Er trank seinen Wein, sie ging zu Wasser über, keine Frau, die alles mitmachte, aber eine, die alles wissen wollte – weshalb gerade dieser See, weshalb diese Ehe, dieses Leben. Kein Wort mehr über sein Skript, nur nebenbei die Idee, dass eine Serie hier am See spielen sollte, der Held ein junger Arzt mit Riva-Boot, die weibliche Hauptperson von unklarer Herkunft, ihre Mutter etwa Vorsteherin eines kleinen Klosters und so weiter. Sie war voller Figuren, die Producerin Mattrainer, voller Ideen zu Ideen. Oh, wenn ich schreiben könnte, die Ruhe hätte, rief sie, ein Seufzen in Worten, und auf einmal von ihm ein Vorschlag, auch nebenbei: Morgen nicht nach München fahren, sondern in die Gegenrichtung. Kennen Sie Chioggia, Marlies? Ein guter Ort zum Arbeiten, kleine Kanäle, alte Brücken. Oder Lucca, ein Traum! Er schenkte ihr Wasser nach, sie trank einen Schluck, ihr Glas
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