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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Wolken fegten an den Uferhängen entlang, in den Oliven ein silbriger Furor, dabei nur leichter Regen, aber von Böen gepeitscht. Und am Nachmittag, kaum zu glauben, eine hereinbrechende Dunkelheit wie in den Tropen.
    Von Torri aus – Vila und Renz auf dem Dach, um das Zelt noch mehr zu sichern – war es ein langsames Aufziehen. Zur Mittagszeit erste Bewegungen in der drückenden Luft, Vorhänge blähten sich, Palmwedel zitterten. Noch waren Boote auf dem See, aber nicht in Fahrt, ein Abwarten, während die Wolken aufquollen und das Licht immer unerklärlicher wurde, wie ein eigenes Aufscheinen in allem, den Häusern, den Bäumen, dem Wasser. Schließlich das Nahen der Front, der Himmel schwarz und quer über dem See gezackte Schaumbänder, da hatte die Garibaldi schon in Torri abgelegt, mit Kurs auf den geschützteren Hafen von Garda. Und zuletzt das Verschwinden sämtlicher Berge, des anderen Ufers, der Welt.
    Bühl sah es vom Eckbalkon aus, wie sich alles Angestaute blitzend und schüttend entlud, der Donner nur einen Herzschlag später, sein Lärm noch spaltender als der grelle Zickzack davor. Gewitter machten ihm nichts, er war damit aufgewachsen, auch die Sommer in seinem Tal waren drückend, und die Felder hatten geleuchtet, wenn eine Hälfte des Himmels schon dunkel war, der Regen oft erst nach den Blitzen, und er im Freien, um jedes Stück Haut zu spüren in dem Geprassel. So auch jetzt; und als das Krachen langsam nachließ, dafür der Wind noch stärker wurde, aller Lärm vom See kam, als stürzten seine Wasser aus dem Südteil in den Fjord, ging das Telefon am Bett, das Läuten gerade noch zu hören – Vila, er verstand sie kaum. Sie telefonierte im Haus, während ihr Mann im Pool war, so viel verstand er: der arme Renz, damit beschäftigt, einen im Sturm abgerissenen, in den Pool gewehten Ast vom Grund zu holen, bevor sich Rinde und Blätter ablösten, im Wasser verteilten. Eine Art Heldentat, vom oberen Stock aus verfolgt, und erst nach Meldung aller übrigen Sturmschäden kam Vila auf ihn: den sie schon samt der Garibaldi vom See verschlungen geglaubt habe, ein Scherzsatz, aber nicht nur, es klang auch Erleichterung durch, ihn am Leben zu wissen, also verfügbar. Bühl ging mit dem Telefon in der Hand zur Balkontür, Hilf deinem Mann, rief er, wir sehen uns, wenn es wieder ruhig ist. Was glaubst du, was Franz empfunden hat, als Klara ihn umarmte? Eine Frage, die er gerade noch stellen konnte, ehe aller Strom im Ort ausfiel, mit der er allein blieb. Der See hatte jetzt etwas Kochendes, seine Wellen brachen weit über die Mole, der Wind bog die Bäume am Hafen und riss Boote aus ihrer Vertäuung, dazwischen auch wieder Blitz und Donner, ein Tosen wie aus anderer Zeit, als der Mensch noch an Zeichen glaubte, einen Himmel, der zu ihm spricht. Und dabei war es immer noch warm, warmes Prasseln auf der Haut – Bühl stand mit ausgebreiteten Armen im Regen, ein Element unter Elementen. Franz’ Empfinden war vielleicht das eines freien Falls, und am Ende hatte er Flügel, das war Klara, die ihn trug. Aber nur sie hat das alles behalten, jeden Moment, während er sich später an nichts mehr erinnern will. Ihr beider Kästlein, es muss zubleiben. Erst als der Regen nachließ, ging Bühl ins Zimmer, legte sich aufs Bett und muss dann sogar eingeschlafen sein, während aus dem Tosen ein Rauschen wurde, der See nun von Norden nach Süden drängte, aus seiner Bergenge in die Weite, die ganze Nacht lang.
    Das Licht weckte ihn, im schwarzen Himmel ein graublauer Spalt, das Grau, das die Nacht der Astronomen beendet, noch tintig dunkel, aber für Sterne zu hell, dann blassviolett und bald ein zages Blau, in das mehr und mehr Helligkeit kam, den Spalt auf einer Seite aufzog, bis er die Masse an Schwarz vor sich herschob, sie einmal und noch einmal teilte und mit der ersten Sonne über die Bergkämme drückte. Von da an nur noch Wolkenfetzen an den Olivenhängen und über den Felsspitzen auf der anderen Seite ein gewaschener Himmel; die Luft frisch und gereinigt, das Ufer gegenüber gestochen scharf, jede Zypresse ein Dorn, jedes Fenster ein funkelnder Splitter. Und als die Sonne den Platz am Hafen erreichte, die Regen- und Gischtlachen dampfend aufsog, brach ein zweiter, wie auf Zehenspitzen stehender Sommer an.
    Vila kam etwas später als sonst, erst beim Zwölfuhrläuten ihr Gang zwischen den letzten Pfützen, barfuß, die falschen Veronaschuhe pendelnd am Daumen, die andere Hand auf einem Kleid, das bei jedem

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