Liebe in groben Zügen
es einen Wackelkontakt gibt und du die Werkstattkosten von Jaguar scheust, es könnte ja der ganze Airbag sein, und das käme dich teuer zu stehen, wie am Ende eine Ehe ohne das Polster der Liebe, hörst du mir eigentlich zu, Renz: Das sind schon fast deine Worte, Polster der Liebe, das könnte in der Seearztserie vorkommen. Wo hast du sie gefangen, deine Fische? Auf einmal gesprochene Worte, eine ruhige Frage an ihn, der jetzt die Innereien zusammenschob auf dem Brett, ein gelbrötliches Gebilde für die Katzen der Umgebung.
Bei San Vigilio, sagte Renz. Dort angeln noch andere gegen Abend, die beste Stelle am See. Waren sie teuer, die Schuhe? Er gab das Gebilde auf einen Teller, und sie nannte eine Summe zwischen Vernunft und Unvernunft, hundertsechzig, so schnell, wie sie gefahren war; dann trank sie langsam den Wein, eine Hand auf der Brust über dem Herzen, den Daumen in Bewegung, sie streichelte sich, in den Augen etwas, das Renz zu beunruhigen schien – noch immer weiß er nicht, warum sie weint, wenn in einem Film die Dinge zwischen zwei Leuten das erhoffte Ende nehmen. Sie hob die leere Flasche, Holst du noch eine von oben? Keine Frage, eine Bitte. Ja, sie trinken zu viel, wenn sie allein sind. Es gibt immer Gründe.
Und wieder eine stickige Nacht, die erste von mehreren; dazu Tage so verschwimmend wie die Sommer, seit Katrin aus dem Haus war. Abends weiter das Wetterleuchten und fernes Grollen, Vila und Renz auf dem Dach, in ihrer Loge für das Schauspiel, und keine Fragen mehr zu den Schuhen oder dem Neuen in Vilas Leben – Renz hatte seine Gide-Bände zurück (ohne Zeitungseinband), sie lagen unten auf dem Esstisch, er wollte noch etwas nachlesen, sie danach wieder einsortieren, eine von vielen kleinen Absichten in diesen Augusttagen. Renz wollte auch die alten Bewegungsmelder ersetzen und nasse Stellen an der Hauswetterseite behandeln, er wollte mit einer Redakteurin telefonieren, die von seinem Missbrauchsprojekt gehört hatte, und wollte mehr schwimmen; und auf dem Dach sollte alles geschützt werden vor dem kommenden Sturm – das Einzige, das schließlich geschah, mit Vilas Hilfe. Sie banden die Zeltseiten eng um die Pfeiler, damit der Wind nicht hineinfahren konnte, alles noch heil wäre an dem Fest, wenn sie nach dem Essen auf dem Dach feiern würden. Wilfingers hatten endgültig zugesagt, auch Elfi und Lutz hatten gebucht, und Vila lenkte sich mit Planungen ab – von Bühl vor allem die Nachricht, er sei vor dem Unwetter zurück. Sie plante den Ablauf bei Sonne und bei Regen, entwarf die Sitzordnung und notierte Musikwünsche für den Abend. Elfi und Lutz wollten sicher tanzen, auch die Englers, Marion, die Ex-Pastorin, mit Renz, sie mit Thomas dem Guten: eine Vorstellung, der sie noch nachhing, als endlich ein paar Tropfen fielen. Und bald auch der erste Windstoß, heftiger als der vor Tagen, Wind, der in die Oliven fuhr, alle Triebe krümmte.
Tanzen, sagte Renz, als sie die schweren Töpfe vom Pool wegrückten, schon eine der Notmaßnahmen vor dem großen Auguststurm – zählt das auch zu dem Neuen in deinem Leben? Hast du einen Tänzer? Er zog an dem Topf mit der Bougainvillea, Vila half durch Schieben. Ja, einen Tänzer, rief sie. Dimitri, Russe. Mein Dimi. Erst tanzen wir, dann gehen wir ins Bett! Sie holte Renz von dem Topf weg, er hatte sich an den Dornen geritzt, zwei lange Blutfäden auf dem Unterarm, sie tupfte das Blut mit etwas Küchenrolle ab, ein fast vergessenes Gefühl: dem Mann beizustehen, mit dem sie lebte. Wir müssen noch alles reinräumen, bevor es losgeht.
Es geht nicht los – Renz sah auf die Kratzer –, heute nicht, morgen auch nicht. Die Hitze macht jeden verrückt, man hört dauernd Sirenen und weiß, dass wieder ein Junge neben seinem Rad liegt. Der Kleine aus Coi, wie hieß er noch?
Agostino, sagte Vila. Sogar die Männer haben geweint um ihn. Und ich auch, kannst du dir das vorstellen? Sie knüllte das Stück Küchentuch, dann brachte sie gefährdete Dinge ins Haus, Windlichter, Kissen, Gläser, zuletzt sich selbst.
*
XVIII
DER große Auguststurm zog an dem Tag auf, als Bühl mit der alten Garibaldi von Riva südwärts fuhr, im Fjordteil des Sees noch auf glattem Wasser, nur schon leuchtend, lockend grün, eine gefährlich schöne Warnung, und bei Limone bereits gegen Wellen, die weiß über die Holzreling des Raddampfers schossen. Je breiter der See wurde, desto aufgebrochener seine Masse, vor einem Himmel, der sich auf ihn zu wälzen schien; niedere
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