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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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ein Netz aus roten Fäden, mehr erschreckend als schmerzhaft, es brannte nur, wie ihr Gesicht nach zu viel Sonne brannte, ihr Geschlecht nach zu viel Wollen. Sie wusch die feinen Wunden aus und desinfizierte sie, dann zog sie ein altes Hemd von Renz an und ging zu Bett. Noch war sie zweiundfünfzig, für einen Tag, und das Brennen würde zu diesem Tag gehören – Klara, von der Bühl erzählte, als hätte er sie gekannt, muss ganz aus dieser Feuerhaut bestanden haben, ich verbrenne vor Sehnsucht, erlösche vor Sehnsucht. Sie hörte Renz ums Haus gehen, den schleppenden Schritt nach Seeüberquerungen, weil alles zu viel war, erst das Boot vom Möwenkot säubern und es später im Dunkeln wieder abdecken, dazwischen die Sonne, das Essen, der Grappa. Er schwamm noch im Pool, ein einsames Paddelgeräusch, und plötzlich nur noch leises Anklatschen von Wasser, dann Stille. Sie stieg aus dem Bett und schob die Balkontürläden auf. Im Pool Renz als Toter Mann, Arme ausgebreitet, Augen zu, er kann das: so atmen und sein Gewicht verteilen, dass ein Wasser ihn trägt, ihren nur reglosen, noch lebendigen Mann, für sie auch eine Art Wasser: das Einzige, das trägt, wenn sie vernünftig genug ist.
    Und der ganze nächste Tag, obwohl spätsommerlich warm, ein Tag im langärmligen Hemd, um nichts erklären zu müssen, das Hemd jetzt aus eigenem Bestand und nur unverdächtig durch offene Knöpfe, in dem sie mehr zeigte, als sie zeigen wollte, vor allem den Wilfingers. Die trafen am späten Nachmittag ein, er mit Rotweinpräsent, Franzose, Grand Cru, sie gleich mit dem Geschenkpaket, selbst das Papier ihr Design, lauter Buchstaben, angeblich ein Goethe-Zitat. Renz brachte die beiden zu der Pension, sie blieb mit Elfi und Lutz auf der Terrasse, die Freunde per Flugzeug gekommen. Und der gemeinsame Abend eher kurz, kein Hineinfeiern, Katrin lief noch mit den anderen in den Ort, aus irgendeiner Torri-Ecke kam Musik, dort wollten alle hin. Sie und Renz also allein, und auf einmal die Versuchung, ihm den krustigen Arm hinzuhalten, sieh, wer ich bin – ein Sekundenimpuls, dann ging sie auf ihr Zimmer und fand eine Nachricht. Setz mir den alten Freund so, dass er gut zu sehen ist, und denk daran: Du wirst jünger!, ein Wort, das sie noch vor dem Mitternachtsläuten einschlafen ließ. Sie wurde dreiundfünfzig, ohne dass sie es merkte, fast so perfekt wie ein Tod im Schlaf.
    DER alte Freund, der bei dem Abendessen mit dem Gesicht zum Eckbalkon sitzen sollte, war einziger Passagier der eleganten Villa-Feltrinelli-Barkasse, eine Ankunft im Hafen von Torri zur Stunde des Aperitifs, als unter dem Balkon schon vier Tische für zwölf Personen zusammengerückt waren.
    Kilian-Siedenburg in sommerlich hellem Anzug, gestreiftem Hemd und mit burgunderroter Krawatte, im Arm einen großen eingewickelten Blumenstrauß. Der Kapitän der Barkasse – wenn man Mütze und Uniform ernst nahm – half dem Passagier beim Aussteigen, beide wechselten noch ein paar Worte, dann trat Cornelius mit Schritten auf den Hafenplatz, als würde er dort erwartet. Aber um ihn nur das Sonntagsgeschehen bei schwülem Wetter, der Seedunst mehr schwefelfarben als golden, im Süden zu Wolken getürmt, ein letztes Flanieren im Warmen, umschlungene Pärchen, bieder aufgeputzt, ganze Familien aus einem Guss, Vater, Mutter, Kinder, dahinter die Alten, Männer bei Männern eingehängt, Frauen bei Frauen. Der Ankömmling mit Rundbrille und Blumenstrauß im italienischen Frühabendtreiben auf der Suche nach einem bekannten Gesicht, einem Halt – fast mochte man ihm zurufen, komm herauf, Komiteedirektor, warte bei deinem Begleiter durch die Verse Catulls, bis unten das Fest beginnt. Direktor war in Aarlingen sein zweiter Name, er gab die Internatszeitung heraus nach Direktorenart, er war Schulsprecher mit Blazer und Einstecktuch, er hielt direktorenhaft die Abschlussrede, Marc Aurel oder vom Nutzen des Guten. Nur an den Sonntagnachmittagen im Schilf war Cornelius, wie er im Moment auf dem Platz stand, unsicher, ob er es wert war, auf der Welt zu sein, ein Zustand, der geendet hatte, sobald es Publikum gab, wie er auch jetzt abrupt endete: Er winkte mit dem Strauß, und Vilas Mann kam ihm entgegen, gefolgt von einem Kellner mit Tablett, darauf blassgrüne Drinks, der Aperitif.
    Die beiden bedienten sich, ihre Worte überlagert von fernem Grollen, als fielen hinter Salò Berge in sich zusammen, die Tage des Zehenspitzensommers gingen zu Ende. Renz zeigte auf den See, er trug ein

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