Liebe in groben Zügen
Hände, Teil ihrer Routine, um nicht aufzufliegen, dann lief sie zurück an den Tisch und sagte den Satz noch im Stehen. Also los, rief Renz, ruf Katrin an! Er sah auf den Sänger, der eine Pause machte, bei dem Alten mit dem Schal stand; andere trauten sich offenbar nicht zu singen. Vila trank ihr Glas aus und bekam ein neues – ein Wein wie aus Erde, Fels und Trauben, erst aufkratzend, dann steinschwer. Auf ihren Stuhl gestützt, probierte sie die eingelegten Tomaten und aß von den Sardinen, ließ sich das Salz auf der Zunge zergehen und löschte alles mit noch mehr Wein.
Was ist mit dir, warum stehst du? Renz nahm ihr das Glas ab, und sie setzte sich endlich, mehr ein Fallen auf den einfachen Stuhl, und der Tischnachbar – mit der flachen Stirn von Leuten, die man gern unterschätzt – bot jetzt seine Zigaretten an. Sie bediente sich und rauchte und begann, die Nummer vom Haus einzugeben, null null drei neun, vier fünf, sechs eins, dann vertippte sie sich, also alles von vorn, man musste ruhig sein, so ruhig, so abgebrüht wie die Mädchen, die sie in Frankfurt morgens mit Spielzeug in der Hand oder am Ohr zur Schule gehen sah, die nichts vermissen würden außer ihren Smartphones. Sie musste sich zusammenreißen, wenigstens in einer Fingerkuppe, ein paar Ziffern treffen, und endlich gelang es auch, sie stellte noch den Lautsprecher an, und schon hörte man das Freizeichen und auch gleich Katrin, als hätte sie das Telefon in der Hand gehabt. Polizei war heute im Haus, zwei Carabinieri: ihre ersten schnellen Worte, die sie für Renz wiederholen musste, und nun kamen sie mit Unterton, he, kapier es doch, und danach etwas wie ein Stück Vorabend. Ein Schuss auf Kilian-Siedenburg in der Kapelle von Campo, er lebensgefährlich verletzt, gestern Notoperation in Verona, heute die erste Aussage. Kein Wort zum Täter, nur Angaben, warum er am See war, wegen eines Festes in Torri, gefeiert vor dem Hotel Gardesana. Und die Polizei erfuhr, wer das Fest bezahlt hatte, und schon tauchten sie auf, sagte Katrin. Ob bei dem Abend etwas vorgefallen sei, ein Streit. Sie wollten die Namen aller Gäste, und dann kam der eigentliche Punkt, die gefundene Tatwaffe, der alte Revolver, den du nach dem Fest gesucht hast. Sie haben mir Fotos gezeigt, Vergrößerungen, unten am Griff eingeritzt vier kleine Buchstaben, renz. Ich habe mich dumm gestellt, eine Waffe bei uns im Haus, nein. Und das Ergebnis ist, dass sie euch vernehmen wollen, ihr müsst zurückfahren. Wo seid ihr, in Palermo? Und Renz rief es ihr zu, in einer Kneipe in der Gegend von Messina, Vila die einzige Frau, sonst nur Männer und einer mit Liebesliedern. Und der Sänger hob auch schon wieder an, volltönend aus den Boxen, sie konnten sich gerade noch verabschieden, bevor es zu laut wurde. Renz leerte sein Glas. Nur einer wusste von dem Versteck, unser Franz-von-Assisi-Mieter, der lange Mails an dich schickt. Er hatte mich einmal nachts angerufen, beunruhigt von Geräuschen im Garten, und ich sagte es ihm. Da liegt zur Not eine Waffe. Ein Fehler. Jetzt hat er damit auf seinen alten Schulfreund geschossen. So sind die Heiligen.
Und du wusstest, dass die Waffe weg war?
Nach dem Fest war ich noch wach und wollte den Gide einsortieren und sah, dass sie weg war. Ich habe sie hinter allen möglichen Büchern gesucht, Katrin hat geholfen.
Warum hast du mir das nicht erzählt?
Erzählst du alles. Also wozu.
Was willst du wissen?
War Bühl an deinem Geburtstag in Torri? Hast du ihn gesehen, etwa bei dem Essen, als du verschwunden warst?
Das willst du wissen? Das willst du nicht. Wir sollten gehen, du solltest schlafen, das tut dir gut. Schlafen, essen, Bücher sortieren, über andere herziehen, ficken, was noch? Sie trank von dem Wein und versuchte, das Glas ruhig zu halten, überhaupt Ruhe zu zeigen, nur machte die Hand nicht mit, auch nicht ihr Atem, nicht die Haut. Schweiß lief ihr aus dem Haar, hinter den Ohren den Hals herunter, Wäsche und Zunge klebten, und sie trank noch mehr, die Wirkung des Weins jetzt ein Halt – ich bin nur die, die trinkt. Ihre andere Hand griff um das Stuhlbein, am Holz ein hervorstehender Splitter, den drückte sie sich ein Stück unter den Daumennagel, noch ein Halt. Und es geht dich auch alles einen Dreck an, sagte sie. Vielleicht gehört mir nicht das ganze Leben, aber ein Teil, ein paar Stunden, ein paar Tage, ja? Sie stellte das Glas ab, stellte es ruhig auf den Tisch, ein Akt der Gewalt, dazu das Beherrschen der Stimme, nicht
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