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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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hat er trotzdem behalten. Wissen Sie, dass ich einen Böcklin geerbt habe? Ich konnte ihn über eine Auktion verkaufen, er hat kein Vermögen gebracht, nur genug, dass ich First Class fliegen könnte, da gibt es immer Plätze. Alitalia fliegt doch von Mailand nach Havanna, was meinen Sie? Er spielte den Ball oder Versuchsballon zurück, und Vila bat ihn förmlich aufzulegen, Schluss zu machen, nachzudenken. Ein Break, rief sie, etwas Besseres fiel ihr nicht ein, wir sprechen uns dann wieder – ihr letzter Satz, als er schon aus der Leitung war.
    Sie wrang sich das Haar aus und ging weiter, ohne Angst, ihr könnte in der Dunkelheit etwas zustoßen: die erste Beruhigung durch den deutschen Havanna-Scout, der sich am Nachmittag in der Hotelhalle vorgestellt hatte, ein gebildeter Trinker. Sie bog in eine Seitenstraße, ungepflastert, die Häuser fast lichtlos, und versuchte, sich Bühls Gesicht vorzustellen, was kaum gelang, wie es auch kaum gelang, sich während eines Frankfurter Winters ihren See in der Juliglut vorzustellen, sie und Renz in seiner Mitte auf dem Boot, die paar besten Stunden im Jahr. Am Morgen kam eine SMS von ihm: Wenn du mich brauchst, breche ich alles hier ab, wo bist du? renz. Und ihre Antwort: Tu, was du musst, vila, vier bewegliche Worte, ein stabiles. Sie brauchte Renz nicht, nicht seine Nähe; er trug sie ohnehin mit sich herum, beim Gang durch eine Stadt, beim Bestaunen einer Kirche, überall, sie war sein geheimer Reichtum, auch in jedem Bett. Es begann zu regnen, Tropfen platzten in den Staub, und sie lief den zunehmenden Lichtern entgegen, sicherster Weg zum Hotel: zweite Lektion ihres trinkenden Kenners der Verhältnisse, angeblich Gründer eines deutschen Kulturinstituts in Havanna, des Instituto Fichte – nach dem Philosophen einer Vernunft, die weder ihr noch Katrin im Augenblick helfen könnte. Irgendwo in dieser Stadt war ihre Tochter im vierten Monat, offenbar verzweifelt entschlossen, das Zuviele im Bauch mit allen Mitteln loszuwerden, so wie sie entschlossen war, das Zuviele, das gerade in ihr am Entstehen war, zu behalten.
    Sie wohnte im Plaza am Parque Central, ein Haus aus den dreißiger Jahren, zehn Stockwerke und eine Dachterrasse mit Blick bis zum Meer. Noch nass von Gischt und Regen ließ sie sich auf eines der Sofas in der Halle fallen, ein Platz zwischen hohen Säulen und Pflanzen, in einem Licht wie in einem Aquarium. Neben einer Bar ohne Barmann, einer langen leeren Theke, spielten zwei Männer Gitarre und ein dritter mit Rassel sang, ein Ständchen für ein japanisches Paar, dem nichts anderes einfiel, als Fotos zu machen, alles in allem das Gegenteil einer unvergesslichen Nummer wie der von Renz in dem windigen Ballsaal. Er fing auf einmal an zu singen, vor ihr stehend, sie in einem der Korbstühle, zum Schein gelangweilt, während sich Katrin ins Tagebuch gräbt, ahnt, was gleich kommt. Tanzen wir, sagt er vor dem Refrain, und sie steht gleitend auf, schon liegt ihre Hand in seiner, er dreht sie um die Achse, When my baby smiles at me, ein Song für seine Frau und die Leute auf den Fotos, schlaksige Schwarze im Smoking, die es sich leisten konnten, nach Jamaika zu fahren, um Billie Holiday zu hören, Boxer, Musiker, Gangster. Renz trifft jeden Ton, eine Hand unter ihrer Achsel, ein genialer Laie, der den Saal noch einmal mit Leben füllt, ja überhaupt Leben in etwas pumpt, das nur als Idee existiert. Entertainer hätte er werden sollen, kein Filmkritiker und später notgedrungener Fernsehschreiber. Katrin hat an dem Abend mitgetrunken, sie fällt ins Bett und schläft auch gleich, ein Zusatzbett in dem Zimmer über der Klippe, und Renz und sie, immer noch Arm in Arm nach dem Tanz, decken ihre Tochter zu und gehen auf den Balkon. Sie schließen die von Salzluft gebleichten Läden, und schon packt jeder den anderen, ein hastiges Greifen, und sie tun es im Lärm der Brandung. Wie breite Schatten rollen die Wellen heran, türmen sich schäumend und treffen unter dem Balkon den Fels, dass ein Zittern durch die Holzbrüstung geht, danach ihr Zurückrollen, das Klickern der mitgerissenen Kiesel. Und inmitten des Lärms hell ein Name – sein Name, den sie sonst kaum in den Mund nahm: in dem Moment das einzig mögliche, einzig gute Wort.
    Zwei in grauen Anzügen, die Gesichter afrikanisch, kamen zum wiederholten Mal an ihr vorbei, sie gehörten zum Hotel: Security, hatte der Havanna-Kenner gesagt, sei nur ein besserer Ausdruck für Geheimdienst; er hieß Karl Spiegelhalter

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