Liebe ist ein Kleid aus Feuer
sollte ich da illuminieren? Das hier ist nun mal kein Scriptorium. Und ein einzelner Schreiber allein kann niemals ein Werk dieses Umfangs …«
»Wieso hast du die Mädchen nicht eingespannt? Sie hätten dir helfen können. Oder taugt dein Unterricht so wenig?«
Zorn blitzte in dem verbliebenen Auge des Mönchs auf.
»Rose vielleicht«, sagte er. »Aber Eila? Setz sie auf ein Pferd! Da ist sie besser aufgehoben.«
»Nach der Hand, die einen füttert, beißt man lieber nicht.« Raymond wirkte äußerlich ruhig. »Haben sie dir das in deinem Scriptorium nicht beigebracht?«
Es wurde eine Weile sehr still im Raum.
»In welcher Reihenfolge möchtest du die Abschriften denn haben?«, fragte Bruder Rochus schließlich und schaffte es, zumindest einen Hauch von Unterwürfigkeit in seine Stimme zu legen. »Ich muss es wissen, damit ich sie auch richtig hefte.«
»Entscheide du, denn damit kennst du dich besser aus«, sagte Raymond. »Ich verstehe kein Latein, wie du weißt, und bin daher überfragt, was den Inhalt betrifft.«
»Lauter schöne Dinge, des kannst du ganz gewiss sein! Wir werden also mit den Oden und Epoden des Horaz beginnen«, sagte Rochus. Täuschte sich Raymond, oder bekam der Gesichtsausdruck des Mönchs dabei etwas Verschlagenes? »Danach Catull, gefolgt von Ovids Ars amatoria . Schließlich einige der besten Epigramme der Martial.« Nachdenklich rieb er seinen Bart. »Und als Letztes eine von Terenz’ unvergleichlichen Komödien. Einverstanden?«
Raymond ließ Rochus nicht aus den Augen, doch, als der ihn schließlich ansah, wirkte sein Gesicht wieder ganz harmlos.
»Und werden wir damit auch bestimmt Ehre beim Hochzeitspaar einlegen?«, fragte Raymond.
Rochus lächelte unbestimmt. »Ich bin sicher, die edle Braut wird ihre Freude daran haben.«
Raymond nickte ungeduldig. »Hauptsache, du bist spätestens morgen Abend mit allem fertig.«
»Das werde ich. Und wenn mir die Finger dabei bluten sollten, Herr!«
Das Schwierigste lag noch vor ihm, und als Raymond nach dem Abendessen Odas Kemenate betrat, wusste er, weshalb er es so lange aufgeschoben hatte. Sie war wieder einmal nicht bei Tisch erschienen, obwohl sie Fasanenbraten ebenso liebte wie er. Sie hatte es aufgegeben, irgendeine Unpässlichkeit vorzuschieben, um ihr Fernbleiben zu entschuldigen, wie sie es noch den Winter über bisweilen getan hatte. Äußerlich schien sie wieder gesund, aber sie lebte ihr eigenes Leben, in einer Welt, die ihn ausschloss, das wurde ihm bewusst, als er vor ihrem Bett stand.
Ihr heller Blick traf ihn mit eisiger Schärfe.
»Was willst du hier?«, fragte sie.
»Sind deine Sachen fertig?«
»Wovon redest du?«
»Von den Kleidern, die ich dir habe nähen lassen. Und dem neuen Schmuck, der dazu eingepackt werden muss. Wir können nicht allzu viele Bedienstete mitnehmen, denn der Platz in der Pfalz ist begrenzt. Aber du sollst dennoch die Frauen um dich haben, die du brauchst, wenn wir in drei Tagen aufbrechen.« Er redete, als wäre alles nichts als eine Nebensächlichkeit.
Ein Schulterzucken war die einzige Antwort. Er wandte den Kopf, sah, dass die ganze Kleidung nachlässig und zerknittert über eine Truhe geworfen war.
»Wieso gehst du so hässlich mit so viel Schönheit um?«, fragte er. »Es wird große Mühe kosten, alles bis zur Abreise wieder einigermaßen herzurichten.«
Sie stand auf, kam langsam auf ihn zu.
»Und wenn schon! Ich werde nichts davon tragen«, sagte sie. »Deshalb ist es auch egal, wie die Sachen aussehen.«
»Soll das heißen, dass du …«
»… dass du ohne mich reiten wirst, mein Gemahl. Du kannst Eila mitnehmen und dieses dunkle, magere Balg, wenn du unbedingt willst und du nicht vor Angst stirbst, dass sie wieder zu schäumen und zu zucken beginnt wie eine streunende Hündin kurz vorm Verenden.«
»Treib es nicht zu weit, Oda!« Die Ader an Raymonds Stirn schwoll an, was sie zu belustigen schien. »Ich bin nicht zum Scherzen aufgelegt.«
»Ich ebenso wenig«, gab sie scharf zurück.
»Du kommst mit!«
Ihr schlanker Hals bog sich nach hinten, als sie sich nach einem Becher streckte, und er blickte auf ihre zarte, weiße Kehle, die er stets besonders anziehend gefunden hatte.
»Hast du vergessen, was du mir einst versprochen hast? Dass ich sie niemals mehr sehen muss, keinen von ihnen? Das hast du mir feierlich gelobt – sonst wäre ich niemals mit der Heirat einverstanden gewesen.«
»Das alles ist lange her. Jetzt bist du meine Frau. Und du gehörst an meine
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