Liebe ist ein Kleid aus Feuer
Seite.«
»Mach dich nicht lächerlich!« Sie nahm einen Schluck. »An die Seite eines alten Mannes, mit dem ich kein Kind haben kann, das am Leben bleibt, obwohl er mich unablässig schwängert, um seine schwindende Manneskraft unter Beweis zu stellen? Ist es das, was du willst? Dass der versammelte Hof sich hinter unserem Rücken vor Lachen ausschüttet?«
»Das wird niemand tun, denn es gibt keinen, den die Schuld daran trifft«, sagte er. »Was geschehen ist, liegt allein in Gottes Hand.« Er sah, wie sie zusammenzuckte, redete aber weiter. »Außerdem haben wir Eila, vergiss das nicht!«
»Eila, ja.« In ihrer Stimme lag Verachtung, was ihn aufbrachte.
Raymond spürte, wie es feucht unter seinen Achseln wurde, wie der Zorn unaufhaltsam in ihm hochstieg, aber er war nicht gewillt, einen Schritt zurückzuweichen.
»All die Monate hab ich Geduld gehabt, weil ich wusste, wie viel Schweres du erleiden musstest, aber jetzt ist Schluss damit. Du lebst. Du bist längst wieder gesund. Du wirst mich auf diese Hochzeit begleiten!«
»Gesund nennst du das, gesund ?« Sie stellte den Becher beiseite und griff sich an den Kopf, als sei er plötzlich viel zu schwer für sie. »Was weißt du schon davon?«
Sie wirkte plötzlich so verstört, dass Raymond wider Willen schwankend wurde. Seine Pflicht wäre es gewesen, für ihren Schutz zu sorgen, auch und gerade während seiner Abwesenheit. Aber er hatte es nicht vermocht, hatte stattdessen zulassen müssen, dass sie angegriffen und misshandelt wurde. Außerdem hatte sie ihr Kind verloren, was schwerer wog als alles andere.
In einer plötzlichen Gefühlsaufwallung trat er auf sie zu.
»Unser kleiner Sohn ist gestorben, Oda«, sagte er. »Wir sollten anders miteinander reden.«
Ihre Augen waren blank und leer, als sie zu ihm aufsah.
»Seine Brüder haben ihn geholt«, sagte sie. »Und sie würden es wieder tun. Sie rufen Nacht um Nacht. Hörst du sie nicht? Ich höre sie. Sie haben so lange gerufen, bis er endlich bei ihnen war. Aber es herrscht noch immer keine Ruhe … nein, keine Ruhe, und niemals wird es …«
Sie taumelte, wäre vielleicht sogar gefallen, hätte Raymond sie nicht festgehalten. Sie wehrte sich nicht, als er sie enger an sich zog. Ihr Körper schien sogar weich zu werden, seinem entgegenzustreben.
»Wir haben beide Fehler gemacht, Oda«, murmelte er in ihr Haar, das so seidig war, so hell wie Mondgespinst, genau wie an jenem Tag, als er es zum ersten Mal berührt hatte. »Aber noch ist es nicht zu spät. Lass uns ein neues Leben beginnen!« Ihre Brüste schmiegten sich an seinen Körper. Ihr Rücken war schlank und fest. Sie war noch immer seine Braut, seine zarte, junge Braut. Damals, in jener Sommernacht, hatte er Sterne vom Himmel regnen sehen, Sterne, die so gleichmäßig fielen, als hätte Gottes Hand sie ausgestreut. Niemals zuvor war er so glücklich gewesen, und er hatte sich in jenen Tagen eingebildet, dieses unfassbare Glück für immer festhalten zu können. »Und was könnte besser für einen Beginn sein als eine königliche Hochzeit?«
Er spürte, wie sie sich plötzlich steif in seinen Armen machte. Der innige Moment der Nähe war verflogen, wieder einmal.
»Ich könnte dich zwingen«, sagte Raymond, der fühlte, wie die altbekannte Kälte wieder in ihm hochkroch. »Und nicht nur dazu, das weißt du ebenso gut wie ich.«
»Dann nimm meinen Körper, wenn du unbedingt willst. Er bedeutet mir nichts, gar nichts, erst recht nicht, nachdem diese Teufel mich … Mein Herz aber und meinen Kopf wirst du nicht besitzen – niemals!«
»Schweig! Sei endlich still!«
»Ja, das kannst du, alter Mann! Drohen und befehlen. Aber ich hab schon lange keine Angst mehr vor dir. Wenn du mich zwingst, vor sie alle zu treten, werde ich den Mund aufmachen, das musst du wissen«, sagte Oda. »Ich werde reden und ihnen haarklein alles erzählen, bis es auch der Letzte begriffen hat – sogar dein geliebter König Otto!«
»Das wirst du nicht tun!« Raymonds Hände schossen nach vorn, als wollten sie sich um ihren Hals legen, dann sanken sie kraftlos hinab. »Niemals würdest du so etwas wagen.«
»Und ob ich das würde!« Oda trat langsam zurück. »Und keiner könnte mich daran hindern. Es sei denn, du tötest mich zuvor.« Sie sah das Erschrecken in seinem Blick, und ihr Lächeln wurde breiter. »Ja, töte mich, Raymond! Worauf wartest du noch? Dann wäre das ganze Elend endlich vorüber.«
Ihre Augäpfel drehten sich nach oben, bis nur noch das
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