Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
noch ein Embryo?‹ Ich sage dir … der Mann hat sofort das Bild gekauft.«
    »Mein Gott …«, stammelte Pierre entsetzt. »Mein Gott, was habt ihr mit mir gemacht? Ist Callac tot?«
    »Er lebt! Und wie er lebt! Er sammelt Aufträge für den neuen Stern Pierre de Sangries. Was nicht bedeutet, daß er die neue Zeit nicht mehr versteht. Er hält sie für total degeneriert.«
    »Ich begreife das nicht«, sagte Pierre leise. »Ich begreif das einfach nicht. Callac macht eine Ausstellung von mir?« Er drehte sich zu Ev herum. Fürst Globotkin stand neben ihr und sprach leise auf sie ein. Ihre Augen glänzten.
    »Du verstehst es, nicht wahr?« sagte er lauter.
    »Jetzt ja, Pierre.« Sie hakte sich bei ihm unter. »Komm erst nach Hause. Ich glaube, dieses Weihnachten war die große Bescherung unseres Lebens.« Sie strich ihm eine Locke aus der Stirn und sah ihm in die etwas trüben, merkwürdigen Augen … Augen von einem Schwarzbraun, über deren Iris immer ein gelblicher Schimmer lag. »Warum freust du dich nicht, Pierre?«
    »Sie haben dich verkauft, Ev –«
    »Darum malt man ja Bilder.«
    »Du hängst nackt bei einem fremden Mann. Deinen Körper sehen jetzt fremde Augen an. Ich wollte diese Bilder nie, nie verkaufen. – So wie ich dich gesehen habe, sollte dich niemand mehr sehen …«
    »Das sagt ein Maler?«
    »Hier bin ich kein Maler mehr –«
    Er schwieg abrupt, sah zu Boden und wandte sich wieder dem ›Gebetbuch‹ zu. Was bin ich denn?, fragte er sich. Ich darf doch nur ein Maler sein … alles andere, was jeden Menschen glücklich macht, muß ich in Farbe umsetzen und mich daran berauschen. Gesegneter van Gogh, du durftest wahnsinnig werden!
    Der schöne, bis ins letzte durchorganisierte Empfang brach auseinander, als die Mauer von Neugierigen, die sich um Balalaikaorchester, Blumenpyramide, Madame Coco und die anderen seltsamen Typen gebildet hatte, mit einem Aufschrei auseinanderklaffte. Ein Hund, dessen Häßlichkeit nur vergleichbar war mit dem sagenhaften Quasimodo von Nôtre Dame, durchbrach die Menge, kläffte, biß um sich, verschaffte sich Raum und stürzte sich dann heulend wie ein Wolf auf Ev, sprang an ihr hoch, leckte über ihr Gesicht und überschlug sich in der Luft. Ein Kunststück, das er von Ponpon gelernt hatte. Ponpon fehlte an diesem Empfang … er hatte Probe im Winterzirkus.
    »Bouillon!« sagte Ev gerührt. »Mein kleiner Bouillon!«
    Sie nahm ihn auf den Arm, und damit war eigentlich für die Gaffenden das Interesse erloschen. Wer einen so häßlichen Hund besitzt und auch noch liebt, gehört zu den Kreisen, denen man nur begrenzte Achtung zollen soll. Ob berühmter Maler oder nicht, man sieht's einmal mehr: Sie haben alle irgendwo Löcher im Gehirn.
    »Wie war es in Deutschland?« schrie Madame Coco, als sie endlich an Pierre herankam und ihre mütterliche Liebe loswerden konnte. Sie küßte ihn ab, übersah dabei allerdings nicht den gelblichen Schimmer seiner Augen und freute sich, daß sie darüber mit Professor Mauron so eindringlich gesprochen hatte. »Pierre, du wirst dich wundern, was alles geschehen ist!«
    »Das glaube ich auch.« Er drückte Madame von sich und sah sie streng an. »Petite mère, es wird keine freundliche Unterredung werden! Meine Bilder –«
    »Auch dein Atelier ist tapeziert worden!«
    »Die Zeitungen an den Wänden sind weg?« rief Pierre entsetzt.
    »Ich nehme an, du hast sie auswendig gekannt.«
    »Sie waren ein Stück Heimat, Madame!«
    »Jetzt hast du weiße Wände und kannst sie dir bemalen wie du willst. Hundertmal Ev … so wird's wohl sein –«
    »Nie mehr! Nie mehr! Ihr kriegt es fertig und reißt mir die Tapeten von der Wand und verkauft sie.«
    »Wenn sie Geld bringen, du Rindvieh?« Der ›Rote Henry‹ verzichtete darauf, von Auge zu Auge seine Lobeshymne vorzutragen. Wie immer, war auch diese Dichtung umsonst gewesen. Das war die Tragik seines Poetenlebens: Immer, wenn er im guten Glauben ein Poem verfaßt hatte, reagierte die dafür bestimmte Umwelt anders, als vorauskalkuliert. Das ›Gebetbuch‹ hatte es da leichter. Er sagte: »Und als er heimkehrte zu den Seinen, freuten sie sich und deckten den Tisch mit Brot und Wein, und er trat unter sie und sah, daß es wohlgetan war.« So einfach ist das, wenn man Priester ist: Es paßt immer alles wie der Deckel auf den Topf.
    Die Reisenden gingen weiter, die Gaffenden verteilten sich, die Bahnbeamten atmeten auf, die Balalaikaspieler zupften noch ein Liedchen aus der Donsteppe, weil's so

Weitere Kostenlose Bücher