Liebe ist staerker als Haß
Augen sehen und ihn dann töten?« fragte er sie.
»Wenn er ein Howard wäre, ja«, sagte sie ohne Überlegung. Dann wandte sie sich ihm rasch zu und spürte den Schrecken im Herzen.
»Ich bin ein Howard«, sagte er leise. »Könntest du mir in die Augen sehen und mich dann töten?«
Sie wußte nicht, was sie darauf erwidern sollte. Ihr war klar, daß sie ihn nicht töten könnte. Oder doch? Was würde sie denn tun, wenn er einen ihrer Brüder bedrohte?
Sie schauderte. »Ich habe dir schon oft in die Augen geschaut und dich getötet. Du hast keine Ausdauer. Du bist weich und schwächlich, und wenn wir uns nur ein paar Stunden geliebt haben, rufst du schon: >Ich kann nicht mehr!< Wir Peregrines aber ...« Mehr konnte sie nicht sagen, denn er verschloß ihr den Mund mit Küssen.
Mitte der dritten Woche aber stürzte der Himmel des Glücks über Zared ein. Der Morgen dämmerte gerade, und da sie das Leben mit Tearle etwas träge gemacht hatte, lagen sie noch im Bett, als die Tür aufgerissen wurde.
Einer von Tearles Rittern kam ins Zimmer gerannt. Sein Gesicht war vor Anstrengung gerötet, die Stirnadern traten hervor. Er war so außer Atem, daß er nur zwei Worte herausbringen konnte: »Er kommt!«
Zared fuhr auf und rieb sich die Augen. Sie hatte jetzt so lange in Sicherheit gelebt, daß gefährliche Erlebnisse für sie in ferne Vergangenheit gerückt waren.
Tearle nickte und fragte: »Wie viele?«
»Hunderte. Und bewaffnet wie im Krieg.«
Wieder nickte Tearle. »Alarmiert meine Männer! Macht sie aber darauf aufmerksam: Keine Waffengewalt! Diese Leute sind jetzt meine Verwandten. Heute will ich kein Blutvergießen erleben.«
Als Zared das Wort Blut vernahm, wurde sie vollends wach und setzte sich auf, die Bettdecke um den Oberkörper haltend. »Was ist geschehen?«
Tearle entließ den Ritter und wandte sich an seine Frau: »Dein Bruder ist an der Spitze eines Heeres gekommen. Ich glaube, er will mich töten und dich heimbringen.«
Zared sprach kein Wort. Ihr war, als wiche alles Blut aus ihrem Körper. Sie wollte sich zur anderen Seite des Betts rollen, aber Tearle hielt sie fest.
»Bleib hier! Was hast du vor?«
»Ich gehe zu meinem Bruder. Ich lasse es nicht zu, daß er dich tötet. Du bist sehr gut zu mir gewesen.«
Sein Griff um ihren Unterarm verstärkte sich. Nicht ohne Ironie sagte er: »Ich bin also sehr gut zu dir gewesen - obwohl ich ein Howard bin. Und jetzt willst du mich verlassen.«
»Ich will einen Krieg verhindern!« rief sie.
Du willst das in die Hand nehmen?« fragte er leise.
»Ja.« Ihr Gehirn arbeitete rasch. »Ich sage meinem Bruder, daß ich es war, die dich heiraten wollte. Ich sage ihm, daß mein Verlangen stärker war als alles andere. Vielleicht hat er dafür Verständnis. Allerdings steht für Rogan die Ehre über allem. Er würde auch dem stärksten Verlangen nicht nachgeben. Nie würde er sich so unehrenhaft verhalten wie ich. Lieber würde er sterben als eine Feindin heiraten, denn seine Feinde haßt er bis zum Ende aller Zeiten. Er würde nie so gehandelt haben wie ich, die es so weit getrieben hat, daß sie ihren Feind jetzt sogar ... gern hat.«
Während dieser langen Rede hatte Tearle sie nur schweigend angesehen.
»Willst du vielleicht den ganzen Tag hier im Bett verbringen?« fuhr sie ihn an. Den Gedanken, daß sie ihn jetzt wahrscheinlich zum letztenmal sah, verdrängte sie noch. Allerdings stand es für sie fest, daß ihr Bruder ihr nicht gestatten würde, bei einem Howard zu bleiben. Rogan würde für die Annullierung der Ehe sorgen, mit der Begründung, daß seine Schwester nicht die Heiratserlaubnis ihrer Brüder gehabt habe. »Warum schaust du mich so sonderbar an?«
»Noch immer siehst du in mir nicht den Mann, der ich bin, sondern einen Howard. Noch immer hältst du mich für einen Schwächling und meinst, daß dein gewalttätiger Bruder allmächtig wäre. Kannst du denn nicht einsehen, daß Gewalt nicht in jedem Fall die richtige Lösung ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin neugierig, ob du das immer noch sagen wirst, wenn das Schwert meines Bruders auf deinen Kopf zielt.« Sie ging zu der Fenstertruhe, holte die Männerkleider heraus, die sie von dem Küchenjungen bekommen hatte, und machte Miene, sie anzulegen.
»Nein!« rief Tearle und sprang aus dem Bett. »Du bist kein Mann mehr. Du bist kein Peregrine-Jüngling, sondern eine Howard-Frau!«
»Das ist nicht wahr!« schrie sie ihn an und schleuderte die Sachen auf den Boden. »Ich werde
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