Liebe läßt alle Blumen blühen
die Zunge heraus, schielte und blähte die Backen auf wie ein Ochsenfrosch. Zipka war von einer geradezu missionarischen Geduld, redete ihr gut zu und versuchte zu erklären, bis Kathinka energisch sagte: »Lulu, wenn Sie weiter so ein Theater machen, haue ich Ihnen eine runter!«
»Dann kratze ich Ihnen die Augen aus!« rief Lulu zurück. »Ich erwürge Sie! Sie wissen nicht, wieviel Kraft ich habe!«
»Ich bringe Sie gefesselt nach Arles!« versetzte Kathinka unbeeindruckt.
Lulu wandte sich an Zipka, der an seiner Kamera hantierte. »Sie will mich …«, schrie sie hell.
»Ja! Ich auch!«
»Sie auch, Monsieur?«
Es war, als falle das Mädchen in sich zusammen. Aber Lulus Gedanken jagten. Hier muß Raoul helfen! Die Filme dürfen nie zur Entwicklung kommen. Es ist völlig unmöglich, daß die Fotos in die Zeitungen kommen! Schon auf dem Weg zum Fotografen muß der Film verlorengehen, er muß vernichtet werden.
Lulu senkte den Kopf. »Ich bin in Ihrer Gewalt, Monsieur.«
»Nicht doch! Das ist ein falscher Ausdruck, Lulu. Die Fotos sollen dir doch nur helfen, sie sollen dein richtiges Leben zurückholen …« Er duzte sie jetzt wie ein Kind, führte sie hinter die Mühle und stellte sie gegen eine verwitterte Holzwand. Dann machte er Aufnahmen – von vorn, im Profil, nur den Kopf, dann die ganze Figur. Er knipste den ganzen Film – sechsunddreißig Aufnahmen – ab und ging mit Lulu zurück in die Mühle. Kathinka hatte bereits gepackt, einen Koffer für sich, einen kleinen für Zipka. Nur das Notwendigste, um jederzeit sagen zu können, man müsse zur Mühle zurück, um dieses oder jenes zu holen. Damit konnte man auch begründen, warum man die Mühle nicht freigab: Die Tage bei dem Marquis sollten nur ein Besuch sein, bis sich Madame von dem Schock der letzten Stunden erholt hatte – so wollte man es ausdrücken. Den Urlaub wollte man dann darauf weiterhin in der Moulin St. Jacques verbringen.
Pünktlich um die Mittagszeit meldete Lulu, die an der Tür aufpaßte: »Er kommt!«
Ludwig und Kathinka trugen ihre Koffer hinaus, beluden damit Kathinkas Sportwagen und taten so, als würden sie die Tür zur Mühle abschließen. Lulu rief ihnen von drinnen noch zu: »Viel Glück!«, dann bremste Alain auf dem Vorplatz und stieg aus. Er trug wieder seine blaue Livree, riß die Mütze vom Kopf und verbeugte sich tief. »Ich soll Madame zu dem Herrn Marquis bringen.«
»Danke, ich fahre selbst.«
»Der Herr Marquis hat mir ausdrücklich befohlen, Madame nicht fahren zu lassen. Er bittet sehr darum, daß Madame seinen Wagen benutzen. Der Herr Marquis möchte nicht, daß Madame die Mühe des Fahrens auf sich nehmen. Den Wagen von Madame kann Monsieur nachbringen.«
»Zu gütig!« sagte Zipka giftig. »Ein wahrer Gentleman!«
Kathinka lachte verhalten. »Du wärest nie auf die Idee gekommen, daß ich nervenschwaches Weib in diesem desolaten Zustand nicht mehr fahren darf. Deine Beruhigungstherapie hätte vielleicht darin bestanden, mich mit einer Angel an einen stinkenden Tümpel zu setzen, in dem gar keine Fische sind …«
»Fahren wir endlich!« sagte Zipka wütend und stieg in Kathinkas offenen Sportwagen. »Wo steigst du ein?«
»Natürlich bei dem Marquis.«
»Also dann!« Zipka drehte den Zündschlüssel herum. »Ich freue mich.«
»Auf einmal?«
»Ja. So etwas wie mich hat der gute Herr Marquis bestimmt noch nicht erlebt!«
»Du willst dich also bewußt danebenbenehmen?«
»Wie die Faust aufs Auge! Das verspreche ich dir. Dem lieben Marquis werden büschelweise weiße Haare wachsen. Ich habe bislang immer einen Priem verabscheut …«
»Einen – was?«
»Einen Priem. So einen Knoten Kautabak.«
»Pfui Teufel! Was soll das?«
»Ich werde mich daran gewöhnen müssen. Mit einem Priem im Mund kann man wunderbar gegen ehrwürdige Ahnenbilder spucken …«
»Wig!« Sie blieb neben ihrem Wagen stehen und blickte ernst auf Zipka hinab. »Wenn du das tust, gehen wir auseinander.«
»Hängt deine große Liebe von einem Stück Kautabak ab?«
»Nein. Aber ich möchte mich nicht blamieren, so etwas wie dich zum Mann zu haben. Jeder denkt doch, wir seien ein Ehepaar.«
»Kaum hat man sich an eine Frau gewöhnt, schon fängt die Unfreiheit an! Also gut, ich werde mich gesittet benehmen. Madame, steigen Sie ein! Alain steht noch immer mit entblößtem Kopf da, dem Guten friert im frischen Wind das Hirn ein! Aber noch eins Madame: Ich schlucke arrogante Frechheiten des Marquis nur bis zum Gaumen, dann
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